Ökologische Landwirtschaft ist gesellschaftlicher Wandel

„Landwirtschaft“ – wir alle kennen diesen Begriff und wir alle verbinden wahrscheinlich bestimmte Dinge damit, seien es Felder und Weiden, die Aussaat und Ernte von Getreide, bäuerliches Leben oder die Haltung von Nutztieren. Landwirtschaft ist also sehr vielfältig, und das zeigt sich auch darin, dass viele verschiedene Richtungen unterschieden werden, z.B. die ökologische, die konventionelle oder die konservierende Landwirtschaft.

Was ist ökologische Landwirtschaft? Wieso wird sie kontrovers diskutiert?

Die ökologische Landwirtschaft hat das Ziel, die Ressourcen des Naturhaushalts schonend zu nutzen, um gesunde Nahrungsmittel sowie zahlreiche weitere Rohstoffe (wie Baumwolle für die Textilindustrie oder Mais als Energieträger) zu erzeugen. Mit ihren Anbaupraktiken unterstützt sie ökologische Prozesse, wie die Humusbildung zum Erhalt der Bodenfruchtbarkeit oder die Vermehrung von Nützlingen zum Schutz der Feldfrüchte. Die Tierhaltung ist artgerecht, womit auch genügend Auslauf für die Tiere gemeint ist. Ein weiteres wichtiges Prinzip der ökologischen Landwirtschaft ist die Kreislaufwirtschaft. Dies bedeutet unter anderem, dass die Nährstoffe für den Boden aus dem eigenen Betrieb, zum Beispiel in Form von Kompost, stammen sollten. Ökologische/biologische Landwirtschaft ist in der Europäischen Union eine geschützte Bezeichnung, die nur unter Einhaltung der entsprechenden Vorgaben geführt werden darf und mit einer Zertifizierung verbunden ist.

Im Gegensatz zur konventionellen Landwirtschaft verzichtet die ökologische Landwirtschaft grundsätzlich auf die Zufuhr von künstlichen Dünge- und Schädlingsbekämpfungsmitteln sowie auf gentechnisch verändertes Saatgut. Denn diese Betriebsmittel vereinfachen sehr stark die Komplexität eines lebenspendenden, sich erhaltenden Systems und belasten es mit verunreinigenden Stoffen. Die Folge aus diesem Verzicht ist ein geringerer Ertrag pro Flächeneinheit als bei der konventionellen Landwirtschaft – und genau dieser Aspekt macht die ökologische Landwirtschaft angreifbar. Denn bei der wachsenden Weltbevölkerung steigt der Nahrungsmittelbedarf und somit der Bedarf an Anbauflächen. Würde man also die Weltbevölkerung mit nur ökologisch erzeugten Nahrungsmitteln versorgen wollen, so müsste man viel mehr Bodenfläche nutzen (z.B. als Felder) als bei der konventionellen Landwirtschaft. Es wird sogar befürchtet, dass diese größere Flächennutzung auf Kosten der Regenwälder geschehen müsste.

 

Die Kritik an der ökologischen Landwirtschaft übersieht wichtige Punkte!

Dieser Kritik möchte ich hier einiges entgegensetzen. Zum einen wird bei der gerade beschriebenen Argumentation gegen ökologische Landwirtschaft nur der landwirtschaftliche Ertrag pro Flächeneinheit einseitig gemessen, ohne dabei zu berücksichtigen, wie man die abgeernteten Felder hinterlässt. Um nur einige Beispiele zu nennen: In Deutschland werden in der konventionellen, industriellen Landwirtschaft so viel Gülle und künstliche Düngemittel ausgebracht, dass der Boden sie nicht mehr aufnehmen kann. Dies führt zu einer Überbelastung des Grundwassers mit Nitrat, einem Stoff, der in zu großen Mengen schädlich für Mensch und Umwelt ist. Die aktuell gemessenen Mengen überschreiten die zulässigen Grenzwerte und sind gesundheitsgefährdend. Zudem konnte durch eine Langzeitstudie belegt werden, dass konventionelle Landwirtschaft einen weniger lebendigen Boden hinterlässt als alternative Formen der Landwirtschaft. Interessanterweise schneidet bei dieser Studie die ökologische Landwirtschaft besser ab als die konventionelle – die besten Ergebnisse erzielt aber eine sog. „konservierende“ Form der Landwirtschaft (Henneron et al. 2015).

 

Ökologische oder konventionelle Landwirtschaft? – Der Wandel geschieht in kleinen Schritten!

Die Tatsache, dass hier von einer dritten Form der Landwirtschaft die Rede ist, von der wir in der öffentlichen Diskussion nicht oft hören, führt mich zu meinem zweiten Punkt: Die Gegenüberstellung von ökologischer und konventioneller Landwirtschaft wird den vielfältigen Alternativen nicht gerecht. Die soeben genannte Studie untersucht verschiedene „alternative Landwirtschaften“ (sie nennt konservierende und ökologische) im Gegensatz zur konventionellen Landwirtschaft. Grob gesagt, verzichtet dort die „konservierende“ Alternative auf zahlreiche künstliche Betriebsmittel, unter anderem auf das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat (um Glyphosat, genauer gesagt den Glyphosat-Skandal, ging auf unserem Blog auch hier). Nach den relativ strengen Kriterien für ökologische Landwirtschaft der Europäischen Union jedoch, würde diese konservierende Landwirtschaft weiterhin als konventionell eingestuft werden, obwohl sie bereits vieles anders und aus meiner Sicht besser macht. Ich möchte darauf hinaus, dass zwischen konventioneller und (zertifizierter) ökologischer Landwirtschaft ein fließender Übergang existiert. Zum einen gilt in Deutschland für alle Arten von Landwirtschaft die sog. Gute Fachliche Praxis, die u.a. die Bodenfruchtbarkeit und Biodiversität erhalten und die gesunde Umwelt schützen soll, denn diese gelten als öffentliche Güter, für welche der Staat Fürsorge hält, oder halten sollte. Es liegt innerhalb dieser Vorgaben im Ermessen jeder Bäuerin und jedes Bauern, welche Anbaupraktiken sie anwenden. Und ich kenne viele Beispiele von freiwilligem Verzicht auf maximalen Ertrag zugunsten eines gesünderen Ökosystems. (Ähnlich wie wenn man den Bus statt das Auto nimmt, um die Umwelt zu schonen.) In diesen Fällen kann man noch nicht von vollständig umgesetzter ökologischer Landwirtschaft sprechen, aber werden bereits wichtige Schritte in eine naturschonende Richtung gegangen!  Eine komplette Umstellung auf ökologische Landwirtschaft kostet Überwindungen. Man muss auch bereit sein, neu zu lernen und Landwirtschaft anders zu betreiben als man es beim Aufwachsen im elterlichen Bauernhof erlebt hat oder es viele Bezugspersonen tun. Einen Mittelweg in dem Graubereich zwischen konventioneller und ökologischer Landwirtschaft sucht seit einiger Zeit die Bewegung der Agroökologie. Sie legt großen Wert auf das Erfahrungswissen sowie auf die Vernetzung von Bäuerinnen und Bauern, um einen Übergang in eine zeitgemäße, umweltschonende, gerechte und eigenständige Landwirtschaft zu gestalten. Und auch die Internationale Vereinigung der ökologischen Landbaubewegungen (IFOAM) weist darauf hin, dass ökologische Landwirtschaft über die Zertifizierung hinaus zu verstehen sei, zum Beispiel bei der solidarischen Landwirtschaft .

Abschließend möchte ich die oben erwähnte kritische Frage wieder aufgreifen, ob ökologische Landwirtschaft die Weltbevölkerung ernähren könnte. Eine kürzlich veröffentliche Studie stellt fest, dass dies unter vertretbarem Flächenverbrauch doch möglich wäre – wenn gleichzeitig das Konsumverhalten geändert sowie die Lebensmittelabfälle verringert würden. Diese Forderung nach gleichzeitig umzusetzenden Veränderungen in verschiedenen Bereichen ist eine wesentliche Erkenntnis, über die wir hier im Zentrum für Interdisziplinäre Nachhaltigkeitsforschung (ZIN) diskutieren und auch in unseren Untersuchungen zu Mensch-Umwelt-Beziehungen am Institut für Landschaftsökologie behandeln. Wir sehen Landschaften und Gesellschaft nicht entkoppelt sondern zusammenhängend – Veränderungen können sich daher nur gemeinsam vollziehen!

 

Zum Weiterlesen:

Best, Henning (2006): Die Umstellung auf ökologische Landwirtschaft als Entscheidungsprozess. Wiesbaden: VS Verl. für Sozialwissenschaften.

Henneron, Ludovic; Bernard, Laetitia; Hedde, Mickaël; Pelosi, Céline; Villenave, Cécile; Chenu, Claire et al. (2015): Fourteen years of evidence for positive effects of conservation agriculture and organic farming on soil life. In: Agron. Sustain. Dev. 35 (1), S. 169–181. DOI: 10.1007/s13593-014-0215-8.

Muller, Adrian; Schader, Christian; El-Hage Scialabba, Nadia; Brüggemann, Judith; Isensee, Anne; Erb, Karl-Heinz et al. (2017): Strategies for feeding the world more sustainably with organic agriculture. In: Nature Communications 8 (1), S. 1290.

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