Gehorche keinem? Großzügige Spender und die Freiheit von Forschung und Lehre

In Zeiten immer geringerer Grundfinanzierungen von Universitäten mögen Spenden von privater Seite, von Unternehmen, Stiftungen oder wohlhabenden Privatpersonen, wie ein Segen erscheinen. Aber es lohnt sich genau hinzuschauen. In Deutschland ist die Freiheit von Forschung und Lehre im Grundgesetz verankert. Das hat auch einen guten Grund. Aufgabe der universitären Forschung und Lehre ist der Beitrag zu gesellschaftlicher Entwicklung und Wohlfahrt, nicht privaten Interessen zu dienen. Aber lässt sich die Freiheit von Forschung und Lehre immer mit privaten Spenden vereinbaren?

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Die Gedanken sind frei – vielleicht

Die Universität gilt häufig als Inbegriff des kritischen Denkens: Hier wird in alle Richtungen geforscht und gedacht. Doch wird dieses Ideal in Zeiten knapper Budgets zur Illusion? An der George Mason Universität in Virginia gab es im Frühjahr einen Aufschrei. Hintergrund war, dass die Stiftung der Milliardärsbrüder Charles G. und David H. Koch der Universität zwischen 2012 und 2014 48 Millionen Dollar gespendet hatte und kritische Stimmen hier eine Einflussnahme auf Personalentscheidungen, Forschung und Lehre vermuteten (nytimes.com). Dass in den Kursen überwiegend wirtschaftsliberale Denker*innen behandelt wurden und wenige alternative Stimmen zur Wort kamen, schien vor dem Hintergrund der Spende kein Zufall zu sein. Wobei man natürlich schauen müsste, ob das vor der Spende anders war. Hat Geld auch an Universitäten und im Hinblick auf Freiheit in Forschung und Lehre Einfluss? Werden die Lehrpläne weiß und männlich, wenn es die Geldgeber sind? Werden vor allem bestimmte Felder und Fragestellungen, bestimmte Technologien, Produkte und Ideen beforscht und ihre unerwünschten Nebenbuhler aus dem Fokus der Wissenschaft und damit letztendlich auch der Gesellschaft verdrängt? Betroffene Universitäten, insbesondere auch die von Spenden der Kochbrüder am meisten profitierende George Mason Universität, bestreiten die Möglichkeit der Einflussnahme der Spender. Immer wieder sind Stifter und Stiftungen jedoch in Personalentscheidungen (und damit auch in die Inhalte von Forschung und Lehre) wie auch die Auswahlverfahren von Studierenden involviert, indem sie z.B. einen Sitz in relevanten Kommissionen erhalten.

Auch in Deutschland sollten wir uns mit der Rolle von Spenden in der Hochschullandschaft beschäftigen. Im Jahr 2016 gab es deutschlandweit unter den 46.835 Professuren zwar nur 806 Stiftungsprofessuren, was prozentual gesehen nicht besorgniserregend erscheint (Stifterverband.org). Aber auch der Einzelfall ist wichtig, wie zum Beispiel vor einigen Jahren die Kontroverse um („Geheim“)Verträge zwischen der Deutschen Bank und der Technischen Universität (TU) und Freien Universität (FU) Berlin bezüglich Stiftungsprofessuren gezeigt hat: Die Verträge sahen sogar vor, dass die Deutsche Bank Forschungsergebnisse vor deren Veröffentlichung prüfen dürfe (sueddeutsche.de). Außerdem sieht „der Einzelfall“ vielleicht auch prozentual gesehen ganz anders aus. Im letzten Jahr wurde bekannt, dass die Stiftung des Lidl Gründers Dieter Schwarz der TU München 20 Stiftungsprofessuren im Bereich Betriebswirtschaftslehre finanziert. Damit ist knapp ein Drittel der BWL Professuren an der TU stiftungsfinanziert. Dreizehn der Professuren sollen dabei nicht in München selbst, sondern am „Bildungscampus Heilbronn“ also in Stiftungsnähe angesiedelt sein. Es handelt sich um die wohl größte Kooperation zwischen einer Universität und einer Stiftung in Deutschland. Zwar erhebt die Stiftung keinen Anspruch darauf, bei der Berufung von Professor*innen mitzuentscheiden, doch sind die Grundthemen der künftigen Forschung und Lehre vorgegeben: Digitalisierung, Globalisierung, Entrepreneurship (tum.de). Insofern wird über die Spende schon eine neue Schwerpunktsetzung in der Betriebswirtschaft entschieden. Und nicht nur das. Eine ganze Disziplin wird überproportional in der TU München gestärkt, und – wenn man sich entsprechende Schwerpunktsetzungen durch private Spenden in der universitären Landschaft insgesamt anschaut, bestimmte Fächer und ihre Perspektiven und Diskurse in Gesellschaft und Politik insgesamt.

Auch niedrigschwelliger wird der Einfluss von Spenden deutlich: Die moderne Innenarchitektur der RWTH Aachen wurde vom Energiekonzern E.on gesponsert. Studierende verbringen immer öfter Zeit in Hörsälen wie dem „Ford-Saal“, dem „Generali-Saal“ oder dem „Sparkassenforum“. Und wie auch Fußballstadien tragen ganze Universitäten den Namen von Unternehmen, so z.B. die Hertie School of Governance oder die Jacobs Universität in Bremen. Universitäten werden so auch ganz offiziell zu Werbeträgern.

Wer soll die Uni finanzieren?

Im wissenschaftlichen Betrieb ist eine allzu enge Zusammenarbeit mit und insbesondere eine Abhängigkeit von privaten Geldgeber*innen eindeutig problematisch, wenn Forschungsergebnisse in eine bestimmte Richtung beeinflusst und ausgerichtet werden können oder sich die Interessen der Geldgeber*innen im Curriculum widerspiegeln. Aber auch die breitere und weniger sicht- und messbare Beeinflussung von Entwicklungen in der Forschungs- und Wissenschaftslandschaft durch solche privaten Spenden ist durch Politik und Gesellschaft zu hinterfragen. Begünstigst wird eine solche Einflussmöglichkeit durch strukturelle Ursachen: einen auf marktnahe und technologische Lösungen setzenden, dominanten gesellschaftlichen Diskurs und die strukturelle Unterfinanzierung der Universitäten. Den wirtschafts- und technikfokussierten Diskurs zu hinterfragen, ist dabei vor allem traditioneller Fokus der Fächer, die durch private Finanzierung eher an den Rand gedrängt werden. Hier bedarf es des Mutes von Hochschullehrern und -lehrerinnen, Studierenden und Zivilgesellschaft die schwierigen Fragen auch weiterhin zu stellen, selbst wenn sie nicht extern gefördert werden. Den Weg aus der Unterfinanzierung kann nur eine bedarfsgerechte Grundfinanzierung durch Bund und Ländern ebnen.

 

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