Nachhaltiger Anbau von Obst und Gemüse in trockenen Regionen – ist die Meerwasserentsalzung die Technik der Zukunft?

Leonie Alefs

Dass wir in Deutschland auch im Winter viele Früchte im Obstregal finden, und das auch noch zu verlockenden Preisen, haben wir dem Import aus anderen Ländern zu verdanken. Viele der Produkte in den deutschen Supermärkten kommen aus Spanien, genauer gesagt, aus der Provinz Almería im Süden des Landes. Die Region ist auch bekannt als Obst- und Gemüsegarten Europas – mit Einnahmen von bis zu 2.500 Millionen Euro pro Jahr stellt sie den größten Anteil an landwirtschaftlicher Produktion des Kontinents. Die enormen Ausmaße der Landwirtschaft in Almería kann man sogar vom Weltall aus sehen: Auf Satellitenbildern (z. B. hier) erkennt man quadratkilometergroße Felder aus mit Plastikfolien bedeckten Gewächshäusern, die die Landschaft durchziehen.

Der industrielle Pflanzenanbau: Wirtschaftssegen zu einem hohen Preis  

Der Pflanzenbau ist ein enorm wichtiger Wirtschaftsfaktor für die Provinz, mehr als 50.000 Arbeitsplätze hängen daran. Aber der Anbau von Obst und Gemüse bringt Almería nicht nur Vorteile: Die hohe europäische Nachfrage nach landwirtschaftlichen Produkten übt Druck auf die Ökosysteme der Region aus und stellt die Bevölkerung vor große Probleme. Almería ist eine Region der klimatischen Superlative. Zwar besticht sie durch ihre vielen Sonnenstunden, die auch Vorteile für den Anbau von Nutzpflanzen bieten. Jedoch macht die hohe Sonnenaussetzung Almería auch zu einer der trockensten Provinzen Spaniens. Es regnet kaum, und somit wird für die Bewässerung der Pflanzen sehr viel Wasser aus anderen Quellen benötigt. Viele Jahre lang haben die spanischen Landwirte und Landwirtinnen deshalb auf Grundwasservorräte zurückgegriffen.

Dies ist wiederum in anderer Hinsicht problematisch, denn die Grundwasservorkommen in der Region sind insgesamt stark übernutzt. Dadurch, dass so wenig Niederschlag fällt, wird mehr Wasser abgepumpt als durch den Regen wieder neu dazu kommt. In Folge davon trocknen die Böden, Seen und Flüsse aus und es kann zu wüstenartigen Landschaften kommen. Außerdem verschlechtert die Übernutzung über längere Zeit die Qualität des Grundwassers: So dringt das Meerwasser leichter in die sogenannten Grundwasserleiter oder auch Aquifere ein, durch die sonst das Grundwasser fließt. Dies schädigt schließlich die umliegenden Ökosysteme, da sie nicht auf salzhaltiges Wasser ausgelegt sind. Stimmen aus der Wissenschaft (wie beispielsweise diese) warnen, dass die starke Ausbeutung der Grundwasserleiter zu einem ökologischen Kollaps führen wird, wenn sich nicht bald etwas ändert (hier eine Reportage über mögliche Folgen). Und nicht nur die Umwelt ist bedroht: Wenn das Grundwasser nicht auf ökologisch-nachhaltige Weise genutzt wird, ist auf lange Sicht auch die Zukunft der auf die Verfügbarkeit von qualitativ hochwertigem Wasser angewiesenen Landwirtschaft in Gefahr, die für die Region von großer Bedeutung ist. Der Klimawandel verschärft das Problem des Wassermangels zudem noch weiter (mehr dazu und zu verschiedenen Zukunftsszenarien könnt Ihr hier lesen).

Hoffnungsschimmer Meerwasserentsalzung – kann die Technik es Ökonomie UND Ökologie recht machen?

Schon seit Langem wird nach Lösungen für die hohe Wasserknappheit gesucht. So wurden zum Beispiel computerbasierte Techniken entwickelt, bei denen die Wasserzufuhr der Pflanzen so effizient wie möglich gesteuert wird. Außerdem gibt es die Option, Abwässer aus der Industrie und aus Haushalten so aufzubereiten, dass es für die Landwirtschaft wiederverwendet werden kann. Die technischen Möglichkeiten der Wiederaufbereitung verbessern sich stetig, sodass mehr Wasser ausreichender Qualität für die Bewässerung im Pflanzenbau zur Verfügung steht. In Almería gibt es zwei Aufbereitungsanlagen. Jedoch reichen die hier erzielten Fortschritte nicht aus – das Grundwasser ist immer noch die meistgenutzte Quelle in der Landwirtschaft der Provinz. Auch die Umleitung von Oberflächenwasser aus Flüssen und Seen aus anderen Regionen Spaniens nach Almería wurde angedacht. Das Projekt wurde jedoch aufgrund von politischen Entwicklungen wieder verworfen. Stattdessen hat eine andere neue Technologie in den vergangenen Jahren politische Unterstützung erfahren: Die Meerwasserentsalzung. Bekannt für die Nutzung von entsalztem Meerwasser sind etwa Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate. In diesen Ländern wird sogar ein Großteil des Trinkwassers aus Meerwasser gewonnen, da die Arabische Halbinsel aufgrund sehr geringer Niederschläge kaum über Grundwasservorkommen verfügt. In vielen anderen trockenen Regionen der Erde ist die Entsalzungstechnologie ebenfalls auf dem Vormarsch, wie seit einigen Jahren auch in Spanien (hier mehr zum historischen Hintergrund).

Viele schätzen die Meerwasserentsalzung als Technik der Zukunft für die Bewässerung in der Landwirtschaft der Provinz Almería ein. Noch stammt aber nur ein kleiner Teil des Wassers, dass die Landwirte und Landwirtinnen in Almería für die Bewässerung ihrer Pflanzen benutzen, aus Entsalzungsanlagen. Etwa 80 Prozent des Bedarfs wird nach wie vor durch Grundwasser abgedeckt. Berechnungen haben ergeben, dass jedoch die Hälfte des Wassers aus der Meerwasserentsalzung bezogen werden müsste, damit die Grundwasservorräte nicht überlastet werden. Es fehlt dem entsalzten Wasser also noch an Attraktivität.

Ein Grund für die geringe Nachfrage ist, dass das Wasser aus den Entsalzungsanlagen teurer ist als das aus den Grundwasserleitern. Der Preis kann durch technischen Fortschritt jedoch eventuell in der Zukunft verringert werden. Außerdem kann unter bestimmten Umständen die Nutzung von entsalztem Meerwasser einen Wettbewerbsvorteil bedeuten, da bei sehr empfindlichen Pflanzenarten die Qualität der Ernteprodukte gesteigert wird. Eine weitere Möglichkeit, um die Nutzung von entsalztem Meerwasser zu fördern, liegt auf der politischen Ebene. Denkbar sind beispielsweise Steuererleichterungen und Subventionen, die den Landwirten und Landwirtinnen Anreize setzen, das Wasser aus Entalzungsanlagen zu kaufen. Außerdem ist die konsequente Durchsetzung von Verboten notwendig: Sehr verbreitet ist die Nutzung von illegalen Brunnen, durch die ohne Erlaubnis das Grundwasser angezapft wird. Diese Praxis ist aber häufig geduldet und es mangelt an Kontrollen und Sanktionen. Die Politik muss sich also entschlossen dafür einsetzen, die Grundwasservorräte zu schützen und Alternativen zu schaffen, um negative ökologische Folgen abzuwenden.

Auch die Meerwasserentsalzung kommt nicht zum ökologischen Nulltarif

Es gibt also Möglichkeiten, den Kauf von entsalztem Meerwasser in der Provinz Almería anzukurbeln. Doch inwiefern ist die Meerwasserentsalzung wirklich eine nachhaltige Antwort auf den Wassermangel in der Region? Neben dem Lob als ultimative Lösung für das Trockenheitsproblem gibt es auch Kritik an der Technologie: denn die Gewinnung von Süßwasser aus Meerwasser bringt wiederum eigene Schwierigkeiten mit sich. Zum einen besteht die Frage: Wohin mit dem überschüssigen Salz? Dies muss irgendwo entsorgt werden. Meist wird das Salz wieder zurück ins Meer geleitet, wodurch allerdings an den betroffenen Stellen der Salzgehalt das Niveau, was das Ökosystem dort normalerweise gewohnt ist, übersteigt. Auch Organismen, die auf ein Leben im Salzwasser ausgerichtet sind, können mit einem zu hohen Salzgehalt nicht gut umgehen und können daran unter Umständen sterben. Deshalb muss gut überlegt werden, wo das Salz umsichtig entsorgt werden kann.

Außerdem wird für das am häufigsten genutzte Verdampfungsverfahren viel Wärme benötigt – und die braucht enorm viel Energie. Auch die Membran-Methode ist sehr energieintensiv. Die meiste Energie für die Meerwasserentsalzung wird durch die Verbrennung von fossilen Brennstoffen gewonnen. Das heißt, dass Ressourcen verbrannt werden, deren Vorkommen in der Natur begrenzt sind, wie zum Beispiel Erdöl. Zwar gibt es riesige Bestände dieser Stoffe, jedoch basiert auch ein Großteil der globalen Industrie auf solchen nicht erneuerbaren Energiequellen. Aus einer Perspektive, die den Erhalt der natürlichen Ressourcen für die zukünftigen Generationen in den Mittelpunkt stellt, ist es aber unabdingbar, sorgsam mit diesen umzugehen. In dieser Hinsicht ist der hohe Energiebedarf der Meerwasserentsalzung also durchaus ein Problem. Wenn sie als umweltfreundliche Alternative der Bewässerung gelobt wird, muss man die genannten negativen Auswirkungen auf die Natur konsequenterweise mit einkalkulieren.

Auch Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, die an der Entwicklung der Entsalzungstechnologie arbeiten, sind sich des Problems bewusst und suchen nach umweltfreundlicheren Energiequellen. Eine Alternative drängt sich gerade im sonnigen Almería geradezu auf: Solarenergie. Sie bietet sich als Energiequelle für die Entsalzung von Meerwasser an und wird auch bereits genutzt. Die Fortschritte im Bereich dieser Technologie lassen Hoffnungen aufkommen, dass die Meerwasserentsalzung noch umweltfreundlicher werden kann. Jedoch ist auch das mithilfe von Sonnenlicht entsalzte Wasser noch sehr teuer, es ist auf weitere technologische Entwicklungen angewiesen, um wettbewerbsfähiger zu werden.

Meerwasserentsalzung – eine Zukunftstechnologie?

Auf lange Sicht gedacht ist es auf jeden Fall unabdingbar, eine Übernutzung des Grundwassers zu verhindern, um seine Qualität langfristig zu bewahren und die Landschaft vor dem Austrocknen zu schützen. Ein Bewusstsein für die Problematik ist in der Provinz Almería und in ganz Spanien offensichtlich da, denn es wird schon viel getan, um das Trockenheitsproblem zu lösen. Die Meerwasserentsalzung ist eine interessante Option, um der Ausbeutung der Grundwasservorräte entgegenzuwirken. Die Technologie ist zwar keine perfekte Lösung für das Problem, doch die gibt es allerdings nun mal bei den wenigsten Dingen. Aktuell wird immer weiter geforscht, um das entsalzte Meerwasser wettbewerbsfähiger zu machen und die Entsalzung so umweltfreundlich wie möglich zu gestalten. Die technischen Entwicklungen in den nächsten Jahren sollte man im Auge behalten, da besonders die Forschung im Bereich der Solarenergie sehr vielversprechend ist und die Meerwasserentsalzung hierdurch irgendwann vielleicht den bisher noch strittigen Titel als nachhaltige Zukunftstechnologie der Wassergewinnung verdient. Nicht vergessen sollte man zudem den Blick auf die ökonomischen Strukturen, die zu dem hohen Bedarf an landwirtschaftlicher Produktion in Almería führen: Die große europäische Nachfrage ist ein Grund dafür, dass die Landschaft der Provinz strapaziert wird und die Wasservorräte unter Druck geraten. Die Wasserproblematik von Almería steht zudem stellvertretend für viele weitere Regionen der Erde, die unter enormer Trockenheit leiden.

Literatur

Aznar-Sánchez, J. A., Belmonte-Ureña, L. J., Velasco-Muñoz, J. F., y Valera, D. L. (2019) Aquifer Sustainability and the Use of Desalinated Seawater for Greenhouse Irrigation in the Campo de Níjar, Southeast Spain. International Journal of Environmental Research and Public Health 16 (5).

Dürmeier, Franziska (2019): „Wir verlieren unwiederruflich die besten Böden“. In: Süddeutsche Zeitung, online unter: https://www.sueddeutsche.de/wissen/spanien-landwirtschaft-wuesten-desertifikation-wasser-1.4503130, zuletzt abgerufen am 12.10.2020.

Zur Autorin:

Leonie Alefs studiert an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster Politikwissenschaft und Kommunikationswissenschaft. Während eines Auslandssemesters an der Universidad de Granada hat sie sich im Rahmen eines Kurses im Fach Umweltwissenschaften mit dem Wassermangel in der Region Almería und mit verschiedenen Lösungsmöglichkeiten auseinandergesetzt.

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