Gelingt so die sozial-ökologische Transformation? Neue Studie der Sachverständigengruppe „Weltwirtschaft und Sozialethik“ der Deutschen Bischofskonferenz veröffentlicht

Sophie Dolinga und Doris Fuchs

Die interdisziplinäre Sachverständigengruppe „Weltwirtschaft und Sozialethik“ der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz hat eine neue Studie unter dem Titel „Wie die sozial-ökologische Transformation gelingen kann“ veröffentlicht. Die Studie benennt zentrale Ziele, Hürden und Stellschrauben der Transformation. Dabei wird die Notwendigkeit und gleichzeitige Komplexität eines gesellschaftlichen Wandels an den drei Handlungsfeldern Energiewende, Konsum- und Mobilitätswende sowie Agrarwende beispielhaft verdeutlicht. Nicht zuletzt werden auch die Verantwortung und die Möglichkeiten der katholischen Kirche im Kontext der Transformation diskutiert.

Zielperspektive, Barrieren und Stellschrauben der Transformation

Die Idee einer sozial und ökologisch gerechteren Gesellschaft kann als Orientierungsrahmen und Motor der Transformation dienen. Konkret bietet der Gedanke, allen Menschen die Chance auf ein gutes Leben zu ermöglichen, eine solche Zielperspektive. Zu ihr gehört eine gerechte und inklusive Entwicklung innerhalb planetarer Grenzen, Selbstbestimmung in unterschiedlichen kulturellen Kontexten, gerechte Bedürfnisbefriedigung und eine faire Aufteilung der Kosten des Wandels.

Doch Bestrebungen, eine solche sozial-ökologische Transformation anzustoßen, sind mit Hindernissen und Barrieren konfrontiert. Zum einen lassen Pfadabhängigkeiten, insbesondere im Sinne verfestigter sozialer und ökonomischer Strukturen, Entwicklungen in etablierten Bahnen verlaufen und erschweren dadurch Veränderungen. Zum anderen tragen auch Widerstände durch Interessengruppen maßgeblich zur Stabilisierung des Status Quo bei, indem sie sich Wandel aktiv oder passiv widersetzen. Ein weiteres Hindernis sind Verlustängste, die dazu führen können, dass die mit der Transformation einhergehenden Gewinne unterschätzt und die Gefahren des Nichthandels ausgeblendet werden.

Angesichts dieser und weiterer Hindernisse stellt die Studie vier zentrale Aspekte vor, die in ihrem Zusammenspiel eine gelingende sozial-ökologische Transformation befördern können:

  • Ein kohärenter Ordnungsrahmen kann Strukturen schaffen, die zukunfts- und gemeinwohlorientiertes Handeln erleichtern und Innovationen fördern.
  • Die Kosten des Wandels müssen gerecht verteilt werden. Dabei soll auch berücksichtigt werden, dass bereits der Status Quo (ungleich verteilte) Belastungen und Zumutungen verursacht.
  • Die sozial-ökologische Transformation ist ein gesellschaftliches Projekt. Teilhabe und Transparenz ermöglichen es, den Wandel zu gestalten und mitzutragen. Dadurch kann auch der populistischen Instrumentalisierung von Ängsten entgegenwirkt werden.
  • Zudem muss die kulturelle Dimension der Transformation berücksichtigt und genutzt werden, etwa durch neue gesellschaftliche Leitbilder, andere Wohlstandsindikatoren und die Stärkung von Suffizienz.

Konfliktive Themen der Nachhaltigkeitstransformation

Die Studie greift zudem auch dezidiert und gleichzeitig balancierend konfliktive Themen der Nachhaltigkeitsdebatte auf. So konstatiert sie die Notwendigkeit einer Abkehr vom Wirtschaftswachstum als zentrale wirtschaftspolitische Strategie, wobei sie auch den Nutzen von Wachstum in bestimmten Bereichen zur Förderung des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umbaus anerkennt. In diesem Zusammenhang weist die Studie auf die Notwendigkeit der zügigen Entkopplung von Wohlstand und Ressourcenverbrauch hin und thematisiert auch den potenziellen Beitrag technischer und ökonomischer Lösungen. Dabei betont sie die Relevanz eines umfassenden Wertewandels und der Verfolgung suffizienzorientierter Ansätze.  

Kirche in der Transformation

Welche Rolle nimmt nun die katholische Kirche hinsichtlich der Transformation ein und welche Verantwortung hat sie? Ihre Wirkungsmöglichkeiten sind tatsächlich vielfältig: Das Ziel, allen Menschen, überall und in Zukunft, ein gutes Leben zu ermöglichen, die Entkopplung der Idee eines guten Lebens von materiellem Überfluss – all das gehört zu den Kernbotschaften des christlichen Glaubens. Papst Franziskus hat nicht zuletzt mit seiner Enzyklika Laudato Si‘ den Transformationsgedanken in ökologischer wie sozialer Hinsicht aufgegriffen. Und auch auf der politischen Ebene, insbesondere im Bereich der internationalen und europäischen Klimapolitik, haben sich glaubensbasierte AkteurInnen als GesprächspartnerInnen etabliert.

Gleichzeitig müssen Eigenverantwortung und Widersprüche von Glaubensgemeinschaften, explizit auch der katholischen Kirche, kritisch hinterfragt werden. Vor dem Hintergrund der sozialen Dimension der Nachhaltigkeit betrifft dies beispielsweise die Gleichstellung von Frauen innerhalb der Gemeinschaften sowie die reproduktive Selbstbestimmung bzw. Zugang zu Verhütungsmitteln, auch in Anbetracht stetigen Bevölkerungswachstums. Zudem obliegt der Kirche etwa im Umgang mit dem eigenen Vermögen, mit Land und Gebäuden wie auch hinsichtlich der Aktivitäten in Gemeinden eine Verantwortung, die Transformation mitzugestalten.

Die vollständige Studie „Wie die sozial-ökologische Transformation gelingen kann“ der Sachverständigengruppe „Weltwirtschaft und Sozialethik“ sowie Interviews und Videos zu dem Thema sind auf der Dialogplattform https://www.digi-log.org/ zu finden. Das zugänglich aufgearbeitete Material lädt zur Diskussion ein, wodurch es einen Beitrag sowohl zur öffentlichen Debatte als auch für die gelebte Praxis leisten kann. Mit diesem Angebot verbindet sich die Hoffnung der weiteren Unterstützung der Transformation durch die katholische Kirche als nach wie vor wichtiger gesellschaftliche Akteurin.

Zum Weiter“lesen“:

Studie der Sachverständigengruppe „Weltwirtschaft und Sozialethik“: https://www.digi-log.org/de/projekt/2/sws-studie

Professorin Doris Fuchs über glaubensbasierte Akteure in der sozial-ökologischen Transformation [Video]: https://www.youtube.com/watch?v=FM8A-aA0Ch4&t=428s

Vorstellung der Studie der Sachverständigengruppe „Weltwirtschaft und Sozialethik“ [Video]: https://www.youtube.com/watch?v=CiDjBPnH0sQ&list=PL0U5aXsuUhZXaWZcx7weiAjMU6mjUNG5e&index=1

Über die Autorinnen:

Sophie Dolinga studiert Politikwissenschaft im Master und ist studentische Hilfskraft am Lehrstuhl für Internationale Beziehungen und Nachhaltige Entwicklung am Institut für Politikwissenschaft der Universität Münster.

Prof’in Doris Fuchs ist Inhaberin des Lehrstuhls für Internationale Beziehungen und nachhaltige Entwicklung am Institut für Politikwissenschaft und Sprecherin des Zentrums für interdisziplinäre Nachhaltigkeitsforschung (ZIN) der Universität Münster.

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