Zero Waste – Kann ‚richtiger‘ Konsum die Umwelt retten?

Das Thema Müll hat sich mittlerweile zu einem globalen Problem entwickelt. Bilder von vermüllten Stränden oder durch Plastik verendeten Meerestieren kursieren durch die Medien. Beim Blick in ein herkömmliches Supermarktregal steckt der Großteil der Artikel in einer Plastikverpackung. Selbst Obst und Gemüse liegen oft in Plastik abgepackt für den Kauf bereit.

Einer von vielen Ansätzen um dieses Müll-Problem einzudämmen heißt „Zero Waste“ und bezeichnet einen Lebensstil, in dem weitgehend auf Abfall, also ‚Waste‘, verzichtet wird. Das erfordert vor allem ein bestimmtes Einkaufsverhalten. Der „Zero Waste“-Lebensstil hat sich inzwischen zu einem weltweiten Trend entwickelt und auch zahlreiche Blogs und Bücher hervorgebracht. Eine besonders erfolgreiche Bloggerin ist Bea Johnson: Bereits seit zehn Jahren lebt die in Kalifornien wohnende Französin mit ihrer Familie „müllfrei“. Das heißt, der jährliche Restmüll der vierköpfigen Familie passt in ein 1-Liter Einmachglas. Ursprünglich startete Johnson ihren Blog, um Familie und Freunde über den radikalen Wandel ihres Lebensstils auf dem Laufenden zu halten. Inzwischen folgen der Lifestylebloggerin in verschiedenen sozialen Medien über 300.000 Menschen aus der ganzen Welt. Außerdem wurde Johnson bereits von großen Namen wie Google oder Amazon sowie dem EU-Parlament und den Vereinten Nationen eingeladen, um über den „Zero Waste“-Lebensstil zu sprechen. In unzähligen Vorträgen hat sie mittlerweile über fünfzig Länder besucht und trat in mehr als 100 Fernsehbeiträgen auf.

Wer ganz genau wissen will, wie der eigene Haushalt in eine „Zero Waste“-Haushalt verwandelt werden könnte, sollte Johnsons 2013 erschienenes Buch Glücklich Leben ohne Müll (auf Englisch: Zero Waste Home) lesen. Sie erklärt dort z.B., dass jeder Einkauf bei ihr gut geplant ist, denn sie nimmt stets die nötigen Behälter und Beutel mit, um komplett auf Verpackungen verzichten zu können. Obst und Gemüse, sowie Brot und frische Kekse wandern ohne Plastiktüte in die mitgebrachten Taschen und Beutel; Fleisch und Käse lässt Johnson sich an der Frischetheke direkt in Einmachgläser einpacken. Genau wie getrocknete Bohnen, Nudeln, Reis und ähnliches, die sie sich nach Belieben selber abfüllt. Um weiter unnötigen Verpackungsmüll zu vermeiden, stellt Johnson zahlreiche Produkte des täglichen Lebens, wie Spülmittel, Shampoo oder Zahnpasta selber her. Außerdem kauft sie für sich und ihre Familie ausschließlich Second-Hand-Kleidung und verschenkt oder verkauft alles, was nicht mehr gebraucht wird. Hier zeigt sich: Der „Zero Waste“-Lebensstil betrifft, wenn er extrem umgesetzt wird, jeden Bereich des Alltags. Das kann überfordernd sein, aber dank der Vielfalt der Möglichkeiten finden in Johnsons Buch auch „Zero Waste“-Neulinge Tipps, um Müll in kleinen Schritten aus ihrem Alltag zu verbannen.

„Nachhaltiges“ Einkaufen ist im Trend – wieviel kann es wirklich verändern?

Bewusstes Einkaufen, zum Beispiel in Form bewusst müllsparenden Einkaufens, stellt für viele Menschen eine einfache Möglichkeit dar, etwas „Gutes“ zu tun. Nachhaltiger Konsum wird von ihnen als der Weg gesehen, den jetzigen Zustand der Umwelt zu verbessern, sie dauerhaft weniger zu gefährden und damit langfristig die Lebensqualität aller zu sichern. Da Konsum fast täglich stattfindet, entstehen ständig, spontan und unverbindlich Gelegenheiten, sich durch eine bewusste Kaufentscheidung umweltbewusst zu zeigen.

Für viele Menschen ist es auch deswegen attraktiv, sich durch die eigene Kaufentscheidung für Nachhaltigkeit einzusetzen, weil im durchgetakteten Alltag immer weniger Zeit und Muße für politisches und gesellschaftliches Engagement vorhanden ist. Eine nachhaltige Kaufentscheidung kann so gleichzeitig auch ein Statement sein.  Dem Umfeld wird gezeigt: „Ich mache mir über die ökologischen Auswirkungen meiner gekauften Artikel Gedanken!“. Gleichzeitig übermittelt der Kauf von „nachhaltigen Produkten“ dem entsprechenden Unternehmen die Botschaft: „Ich finde euer Produkt gut, eure Produktion möchte ich unterstützen!“.

Diese Botschaft hat auch der Einzelhandel inzwischen erkannt: Immer mehr herkömmliche Supermärkte, Drogerien, Bäckereien setzten auf „Zero Waste“. Einige Läden bieten beispielsweise keine Plastiktüten mehr an und in vielen Bäckereien kann man den eigenen Mehrwegkaffeebecher auffüllen lassen oder einen Beutel für Brot mitbringen. Auch die Auswahl an umweltfreundlichen Produkten wächst stetig. Auch ihr habt vielleicht schon mal ein bestimmtes Produkt im Regal liegen gelassen, da euch beispielsweise die Produktionsweise oder die unnötige Verpackung nicht gefallen hat. Umgekehrt spricht euch vielleicht ein Biosiegel oder eine umweltbewusste Verpackung besonders an.

Allerdings stellt sich die Frage, wie sinnvoll und einflussreich nachhaltiger Konsum wirklich ist. Hat unsere Entscheidung, unverpackt einzukaufen, wirklich einen positiven Einfluss auf Produktionsabläufe und auf das weltweite Plastikproblem?

Laut des ‚Zero Waste‘ Konzepts scheint die Art und Weise, wie wir (nicht) einkaufen, zentral zu sein. Das würde bedeuten, dass unsere Macht, etwas zu bewegen, allein auf die Gestaltung unseres Kaufverhaltens beschränkt wäre. Wir könnten lediglich boykottieren, was uns nicht gefällt und durch Kauf unterstützen, was bereits an nachhaltigeren Alternativen auf dem Markt ist. Aber reduziert uns das nicht zu sehr auf unsere Rolle als Käufer und Verbraucherinnen?

Für Veränderungen sind nicht nur Verbraucher*innen verantwortlich!

Zumindest verlieren wir durch die Beschäftigung mit unserem Kaufverhalten leicht aus den Augen, wie viele andere Möglichkeiten es gibt, um sich aktiv für eine bessere Umwelt einzusetzen. Möglich ist beispielsweise, sich in Organisationen oder Vereinen zu engagieren, die Druck auf Wirtschaft und Politik ausüben. Denkbar ist auch die Mitgliedschaft in einer politischen Partei, die Gesetze für mehr Umweltschutz und weniger Plastikmüll auf den Weg bringen will oder aber die Beteiligung an Demonstrationen, Petitionen oder öffentlichen Debatten.

Außerdem entsteht durch die Konzentration auf das Kaufverhalten, das auch Konzepte wie „Zero Waste“ oft in den Mittelpunkt stellen, der Eindruck, alle Verantwortung läge in den Händen der einzelnen Konsumierenden. Es scheint so, als ob sie darüber entscheidend könnten, wie Unternehmen produzieren, wenn sich nur genug von ihnen für oder gegen bestimmte Produkte entscheiden. Aber sollte nicht eigentlich von der Politik mitentschieden werden, welche Produktionsumstände nicht in Ordnung sind oder welche besonders nachhaltigen Unternehmen besonders gefördert werden sollten? Warum sollten nur einzelne Konsumierende Verantwortung tragen und sich bei jedem Einkauf Gedanken über die Auswirkungen ihrer Produktwahl machen müssen –  noch dazu, wenn es oft zeitaufwändig und schwierig ist, überhaupt Informationen über die Produktionsbedingungen bestimmter Waren zu bekommen?

Wünschenswert wäre eine politische Agenda, die die großen wirtschaftlichen Akteure, wie Supermarktketten und Lebensmittelhersteller, zur Verantwortung zieht.  Sie sollten dazu gebracht werden, deutlich mehr für den Erhalt der Umwelt zu tun und vor allem schädliche Auswirkungen ihrer Produktherstellung einzuschränken. Es sollte das Verursacherprinzip gelten: Die Verursacher*innen von Schäden an Umwelt und Natur sollten für diese aufkommen, nicht die Endverbrauchenden!

Nachhaltiges Konsumverhalten ist zwar ein guter Anfang, denn es zeigt, zumindest im kleinen Rahmen, dass ein Interesse an nachhaltigem Wandel besteht. Doch nur eine Kombination aus nachhaltigem Konsum Einzelner, gesellschaftlichem Engagement und einem tatkräftigen Handeln der Politik wird letztendlich den Wandel bringen, den unser Planet so dringend braucht, um auch in Zukunft Lebensgrundlage für uns und folgende Generationen zu sein!

Für Münsteraner Leser*innen: Auch in Münster gibt es inzwischen zwei Unverpackt-Läden, in denen ihr verpackungsfrei einkaufen könnt – auf der Hammer Straße und auf der Warendorfer Straße.

 

Zur Autorin: Klara van Eickels absolvierte an der Westfälischen-Wilhelms-Universität Münster den Bachelorstudiengang „Politik & Recht“. Sie hat sich im Rahmen ihrer Bachelorarbeit, die von den ZIN-Mitarbeitenden Carolin Bohn und Tobias Gumbert betreut wurde, mit dem „Zero Waste“-Lebensstil auseinandergesetzt.

 

Nachweis Titelbild: https://pixabay.com/de/gew%C3%BCrze-gl%C3%A4ser-schrank-schublade-2271254/