Während des Europawahlkampfes, war der Klimawandel in der öffentlichen Debatte so präsent wie selten zuvor. Durch Protestaktionen wie die wöchentlichen Klimastreiks der Fridays for Future Bewegung (Blogartikel) oder den zivilen Ungehorsam, der in Großbritannien entstandenen Extinction Rebellion, kamen sozial-ökologischen Themen wieder eine größere Aufmerksamkeit zu. Beide Bewegungen beklagen die jahrelange Inaktivität der nationalen und internationalen Politik und fordern mit konkreten Maßnahmen, dass nun endlich konsistente Klimapolitik betrieben werden solle.
Weniger laut, aber deshalb nicht weniger aktiv ist die Transition Bewegung. Anstatt gegen das Vorgehen der Politik zu protestieren und die Forderungen nach mehr Klimaschutz an die hohe Politik zu stellen, werden Transition Initiativen ganz nach ihrem Motto ‚Einfach. Jetzt. Machen‘ im Hier und Jetzt, vor Ort gegen den Klimawandel und Peak-Oil aktiv. (Rob Hopkins 2013) Auch die Transition Bewegung möchte einen gesellschaftsweiten Wandel anstoßen, allerdings mit einem auf den ersten Blick paradox erscheinenden Ansatz: die Nicht-Konfrontation.
Die Transition Town Bewegung
Wenn man die Strategie genauer betrachtet, ist sie allerdings gar nicht so paradox. Rob Hopkins, der Gründer der Transition Bewegung, warnt in seinem Grundlagenwerk Transition Handbook (s.u.) davor, nicht auf das Handeln der Regierungen zu warten. Da Regierungen nicht in der Lage sind den Bedrohungen von Klimawandel und Peak Oil schnell und effizient genug entgegenzutreten, müssten lokale Gemeinschaften die Dinge selbst in die Hand nehmen. Transition ist keine Protestbewegung, sondern versucht mit einer radikal positiven Geschichte einer gerechteren und geselligeren Post-Öl-Zukunft, Menschen dafür zu motivieren, im Hier und Jetzt für diese Zukunft aktiv zu werden. Heute gibt es bereits mehr als tausend Transition Initiativen in mehr als 50 Ländern, die sich für eine gemeinschaftsgeleitete sozial-ökologische Transformation einsetzen.
Im Gegensatz zu Fridays for Future oder Extinction Rebellion, vertritt Transition einen nicht-konfrontativen, nicht beschuldigenden Ansatz. Ob es sich um Personen, Ideen oder Theorien handelt, Transition Initiativen vermeiden es zu kritisieren, zu polarisieren oder jemanden gegen sich aufzubringen. Ziel dieser Strategie ist es, so viele PartnerInnen wie möglich in den Transition-Prozess miteinzubeziehen und niemanden durch Feindbilder oder Kritik abzuschrecken.
Transition durch Kooperation
Da es darum geht, so viele PartnerInnen wie möglich zu finden, fordert Rob Hopkins die Transition Initiativen auch direkt dazu auf, mit den lokalen Regierungen in Kooperationsprozesse einzutreten. Anstatt die lokalen Politikbehörden anzuklagen, sie hätten noch nicht genug getan, sollten Transition Initiativen auf die lokale Politik zugehen und versuchen sie in den Veränderungsprozess einzubinden. Gemeinderäte und lokale Verwaltungsbehörden spielen schließlich eine bedeutende Rolle, wenn es darum geht unsere Gemeinschaften auf eine kohlenstoffarme Zukunft vorzubereiten.
Die Erfahrungen, die Kommunen mit einer solchen Kooperation gemacht haben, werden trotz vereinzelter Schwierigkeiten, als weitgehend positiv bewertet. So sollen bereits 82% der Transition Initiativen in Großbritannien den Prozess des Beziehungsaufbaus mit den lokalen Politikbehörden begonnen haben. (Seyfang, Gill und Haxeltine, Alex 2010) Ein typisches Erfolgsmodell für eine solche Zusammenarbeit ist Somerset. Hier hat der Stadtrat 2008 die erste Motion zugunsten der Transition Bewegung erlassen. In diesem Antrag pflichtet der Rat den Zielen der Transition Bewegung bei und verpflichtet sich der Initiative in jedmöglichster Art zu helfen. Auch Peak Oil Resolutionen und Energy Descent Plans (Pläne zur Energiesenkung) wurden nach gemeinsamer Ausarbeitung mit den lokalen Transition Initiativen in verschiedenen Städten Großbritanniens angenommen. Dabei geht es darum, die Gefahren von Peak Oil anzuerkennen und Aktivitäten zur Reduzierung der Energie-Abhängigkeit zu initiieren. (Rowell, Alexis (2010)) Die häufigste Kooperationsform zwischen Stadträten und Transition Initiativen sind allerdings geldlicher und räumlicher Art. So werden nicht nur finanzielle Förderungen, sondern auch öffentliche Grünflächen für Gemeinschaftsgärten oder Räumlichkeiten zum Initiativtreffen von den Städten bereitgestellt.
Obwohl Transition eine Graswurzelbewegung ist, für die Autonomie einen hohen Stellenwert hat, geht Rob Hopkins davon aus, dass nur durch konstruktive Zusammenarbeit ein gesellschaftsweiter Wandel erreicht werden kann. Nur wenn bottom-up Lösungsversuche mit top-down Steuerungsmaßnahmen kombiniert werden und die Reichweite der Transition Ideen die typischen Öko-Aktivisten übersteigt, werde ein wahrer Transformationsprozess angestoßen.
Kritik an Transitions Transformationsansatzes
An diesem Nicht-Konfrontativen Ansatz der Transition Bewegung wird immer wieder Kritik laut, vor allem aus dem Lager radikalerer und systemkritischerer UmweltaktivistInnen. Sie stellen eine fundamentale Frage: Ist es möglich die globale Umweltkrise zu bekämpfen, ohne die ökonomischen und politischen Strukturen zu konfrontieren, welche das Problem kreiert haben und weiterhin dazu beitragen?
Transition wird vorgeworfen, sich nur den Symptomen, nicht aber den Ursachen unserer heutigen nicht-nachhaltigen Strukturen zu widmen. Kohlenstoffreduzierende Gemeinschaftsinitiativen können durchaus neben Wachstumsstrategien, fehlender demokratischer Kontrolle und üppiger Ressourcenextraktion existieren. Um aber einen nachhaltigen Wandel anzufachen, müssten nicht nur Alternativen vorgestellt, sondern auch denen entgegengetreten werden, die versuchen den Status Quo beizubehalten. (Chatterton, Paul und Cutler, Alice 2008)
Da bisher eine gesellschaftsweite Transformation zu nachhaltigeren Lebens- und Wirtschaftsformen ausgeblieben ist, bleibt es schwierig zu bewerten, welcher Ansatz erfolgreicher ist: Protest gegen oder Zusammenarbeit mit bestehenden Strukturen? Ist diese Unterscheidung überhaupt sinnvoll oder braucht es im Endeffekt nicht einfach beides? Wer etwas recherchiert, findet schnell Texte aus dem Transition-Umfeld, welche Fridays for Future aber auch die radikalere Extinction Rebellion als Ergänzung zur Transition Bewegung sehen.
Die Grenze, die Rob Hopkins aber vor allem auch die wissenschaftliche Literatur zu klassischen Protestbewegungen zieht, scheint daher nicht reibungslos zu verlaufen. Und das ist auch gut so, denn wenn es um einen ökologischen Kollaps und unsere Zukunft geht, sollten wir uns nicht auf einen einzigen Weg versteifen, sondern Protest, zivilen Ungehorsam und konstruktive Zusammenarbeit unter ein und demselben Schirm vereinen. Je mehr Bahnen wir graben, desto wahrscheinlicher ist es, den Strom der nicht-nachhaltigen Lebensformen umzulenken.
Quellen:
Rob Hopkins (2013): Einfach. Jetzt. Machen!. Wie wir unsere Zukunft selbst in die Hand nehmen. Oekom. München
Seyfang, Gill und Haxeltine, Alex (2010): Growing grassroots innovations: exploring the role of community-based initiatives in governing sustainable energy transitions. In: Environment and Planning C: Government and Policy. Vol. 30. Pp. 381-400..
Rowell, Alexis (2010): Communities, Councils and a Low Carbon Future. What We Can Do If Governments Won’t. UIT Cambridge Ltd.
Chatterton, Paul und Cutler, Alice (2008): The rocky road to a real transition: The transition towns movement and what it means for social change. Trapese Collective. London
Zum Weiterlesen:
Transition Handbook: Rob Hopkins (2008): The Transition Handbook. From Oil dependency to local resilience. Green Books. Totnes.
https://www.transition-initiativen.org/
Zu der Autorin: Lil Rimsa studiert an der WWU Münster und an Sciences Po Lille den deutsch-französischen Master ‚Internationale und Europäische Governance‘ mit dem Schwerpunkt Nachhaltige Entwicklung. Sie hat sich im Rahmen ihrer Bachelorarbeit mit der Transition Bewegung und deren Beziehung zu lokalen Regierungen auseinandergesetzt.
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