Kleidung – ein eher alltägliches Produkt, das jede*r von uns braucht und benutzt. Nichtsdestotrotz ist Kleidung auch Mode, die für viele Ausdruck ihres Charakters und ihrer Persönlichkeit ist. Durch Mode kann man vieles sein: modern, elegant, im Trend, schick, unaufgeräumt. Auch mit verschiedenen gesellschaftlichen Gruppierungen kann man sich über Kleidung schnell identifizieren. Irokesenschnitt, Nieten, Lederjacken und Karomuster sind beispielsweise typische Anzeichen der Punkkultur, wohingegen dunkle Kleidung mit Spitze, Netz und Rüschen typisch für die Goth-Kultur sind. Jedoch kann durch Mode nicht nur politische Einstellung, Stimmung oder Gemütszustand vermittelt werden, sondern auch ganz simpel das eigene Verstehen von Kombinationen und Trends.
Wir haben uns schnell daran gewöhnt, kurzlebigen Modetrends zu folgen. Neue Klamotten für jede Saison sind nicht unüblich, nicht allein, weil viele Produkte häufiges Tragen und Waschen nicht überleben. Die Designs sind vielfach nur für eine Saison gemacht, wechseln häufig und sollen möglichst für jeden durch niedrige Preise verfügbar sein. Diese Vorgehensweisen führen unweigerlich dazu, dass Druck ausgeübt wird, um die Produktionskosten der Textilindustrie zu senken und die Produktion zu beschleunigen. Das trägt zu Outsourcing und unmöglichen und unmenschlichen Arbeitsbedingungen bei, wie es oft aus Medienberichten über sogenannten „Sweatshops“ bekannt ist. Die meisten Leute aus dem globalen Norden haben vermutlich schon einmal Klamotten aus solchen Betrieben gekauft. Worüber viele Menschen aber gar nicht gerne nachdenken, wenn sie sich die neuesten Modestücke besorgen, ist wie sehr sie mit ihrem Kaufverhalten die Umwelt belasten und die Lebens- und Arbeitssituation der Arbeiter*innen beeinflussen, die in den Ländern zu Hause sind, in denen die Klamotten produziert wurden.
Nachhaltige Kleidung – nicht „In“ genug?
Also, was kann man tun? Ist nachhaltige Mode überhaupt eine gangbare Alternative? Viele Läden, auch die günstigeren, bieten mittlerweile eine „grüne“ oder „bewusste“ Kollektion an, welche normalerweise aus natürlichen Materialien, beispielsweise 100% Baumwolle oder Wolle gefertigt wurde. Diese Kollektionen sind jedoch oft teurer als die normalen Produkte. Des Weiteren werden Klamotten aus zweiter Hand immer häufiger als reelle, umweltbewusstere, aber auch günstigere Methode erkannt, um an „neue“ Lieblings- oder Designerstücke zu gelangen. Einige Initiativen versuchen, den Wiedergebrauch von Stoffen und Materialien von aussortierten Produkten zu vereinfachen, da dies momentan noch mehr Aufwand braucht als Dinge ganz neu zu nähen.
Es gibt an und für sich bereits genügend Alternativen, die eine nachhaltige Mode ermöglichen. Gleichzeitig scheinen allerdings unsichtbare Hürden potenzielle Käuferinnen und Käufer davon abzuhalten, diese Alternativen auch zu nutzen. Liegt es vielleicht daran, dass der Wechsel zur nachhaltigen Mode ein geändertes Konsumverhalten erfordert? Aber wollen wir unser Kauf- und Konsumverhalten überhaupt derart verändern? Wir Menschen sind doch Gewohnheitstiere; der Schritt von unserem jetzigen Kaufverhalten zu nachhaltiger Mode wird doch sicherlich große Überwindung kosten, oder?
Moral, Gewissen und Ethik in Form von Bildern von riesigen Plastikinseln im Ozean oder verschmutzen Flüssen in Produktionsländern scheinen die einzigen Reize für uns zu sein, gegen unsere Routine zu handeln. Es werden uns genügend Möglichkeiten vor die Nase gehalten, um unser gewohntes Konsumverhalten hin zu langlebiger, nachhaltiger und müllfreier Mode zu verändern. Auch Nachrichten zu den Bedingungen der Arbeiter*innen in Fabriken in Entwicklungsländern sollen zum „Grün werden“ motivieren. Die Mehrheit der Menschen beansprucht diese Möglichkeiten aber nicht. Wieso ist das so? Zum einen ist Nachhaltigkeit immer noch häufig mit hohen Preisen verbunden in den Köpfen der Menschen. So wird jemand mit begrenztem Budget eher zu günstigeren Produkten tendieren, die sich vielleicht schneller abnutzen und ersetzt werden müssen, als etwas Teureres, was auf lange Sicht günstiger gewesen wäre. Zum anderen ist es, nicht zuletzt wegen des hohen Preises, oft einfach nicht die Priorität vieler Menschen nachhaltige Mode zu erwerben. Second-Hand Läden oder Geschäfte, die nur grüne Mode anbieten sind i.d.R. nur sehr sporadisch zu finden, was für viele eine lange, extra geplante Anreise bedeutet, wohingegen man in andere Läden einfach mal reinspringen kann, wenn man eventuell eh schon in der Stadt ist.
Was fehlt, damit nachhaltige Mode ein breiteres Publikum erreicht?
Ein finanzieller Anreiz in Form von günstigerer, grüner Mode, strengere Regeln für Firmen, bezogen auf Materialien und Produktionsweise, starke ethische oder moralische Bedenken oder einfach zur „Besinnung“ kommen ist dringend von Nöten. Jedoch haben alle diese Vorschläge Schattenseiten, zumal sie nicht die gesamte Bevölkerung animieren werden. Das Herabsenken von Preisen wird schwere Folgen in der Produktionskette hervorrufen. Die Unternehmen könnten, um ihren eigenen Profit nicht zu vermindern, verleitet werden die Löhne ihrer Arbeiter*innen zu senken oder die Produktion in ein günstigeres Land zu verschieben. Bedenken hervorrufen kann nur durch Werbung oder ähnliches erreicht werden, was jedoch auf viele Menschen wenig Einfluss hat. Ein Beispiel dafür sind die abschreckenden Bilder auf Zigarettenschachteln. Strengere Regelwerke für Firmen müssten global umgesetzt werden, um effektiv zu sein, da die Firmen sonst einfach in ein für sie günstigeres Land abwandern könnten. Dies setzt nicht nur Kooperation zwischen den Ländern voraus, sondern kann auch potentiell negative Auswirkungen auf den Markt haben. Irgendetwas muss sich dringend ändern, um unsere Erde zu erhalten; die Frage ist wie? Durch Veranstaltungen und Kampagnen kann die Aufmerksamkeit auf Alternativen wie Repair-Cafés und grüne Mode gelenkt werden, die sich durchaus behaupten können. Der Mensch kann – mit ein bisschen Mühe – dem Trott entkommen und neue Gewohnheiten entwickeln. Deswegen dürfen die Anstrengungen nicht nachlassen, eine Änderung herbeizuführen und sich nachhaltig zu kleiden. Die Möglichkeit liegt in unseren Händen.
Zur Autorin: Christina Dohmen studiert an der Westfälischen-Wilhelms-Universität Münster und der Universität Twente European Studies. Durch den Kurs „Global Sustainability Governance“ hat sie sich zunehmend mit Nachhaltigkeit beschäftigt, nicht nur auf dem globalen Niveau, sondern auch in Bezug auf den Alltag einer einzelnen Person.
Zum Weiterlesen:
Fletcher (2016). Craft of Use: Post-Growth Fashion. New York, The United States: Routledge.
Shen, B., Li, Q., Dong, C., Perry, P. (2017). Sustainability Issues in Textile and Apparel Supply Chains. Sustainability, 9(9), DOI: 10.3390/su9091592
Stefko, R., Steffek, V. (2018). Key Issues in Slow Fashion: Current Challenges and Future Perspectives. Sustainability, 10(7), DOI: 10.3390/su10072270