Neues Jahr, altes Leid? Vom Fluch und Segen guter Vorsätze

Und wieder ist ein Jahr vergangen! Wie schnell das doch wieder ging… Wir blicken in den von Feuerwerk erleuchteten Silvesterhimmel und vor unserem inneren Auge lassen wir das Jahr Revue passieren. An welche Momente denken wir mit einem Lächeln zurück? Bei welchen Erinnerungen zieht sich uns der Magen zusammen? Wir fragen uns, was uns im vergangenen Jahr fehlte, und ehe wir uns versehen sind wir dabei wagemutige Neujahrsvorsätze zu fassen, die unser Leben dieses Jahr besser machen sollen. Möglicherweise wünschen sich einige von uns mehr Zeit mit Familie und Freunden zu verbringen, öfter mal „offline“ zu gehen, gesünder zu leben, ökologisch bewusster zu handeln oder sich ehrenamtlich zu engagieren. Andere wiederum träumen vielleicht von beruflicher und/oder finanzieller Absicherung oder Verbesserung, oder auch davon, neue Orte zu entdecken und neuen Menschen zu begegnen.

Verhalten und Rituale zu verändern ist jedoch nicht einfach. Beim Familienbesuch kochen mal wieder alte Konflikte hoch. Unsere berufliche oder finanzielle Situation wollten wir eigentlich entschlossen neugestalten, doch dann fehlt uns doch der Mut. Womöglich retten wir uns nach einem langen Tag mit letzter verbleibender Energie aufs Sofa – das gesellschaftliche Engagement muss warten. Und beim nächsten Regen steigen wir doch lieber wieder ins Auto als aufs Fahrrad. Und was wird dann aus unseren Vorsätzen: erst zusätzlicher Stress und dann Schuldgefühle?

Es gibt einen Urwald von Ratgebern, die uns Tipps und Tricks dafür versprechen, wie wir unsere guten Vorsätze tatsächlich umsetzen können. Diese handeln von Empfehlungen dazu wie wir „intelligente“ Ziele setzen, davon, wie wir lernen in gewissen Situationen häufiger „Ja!“ oder auch „Nein!“ zu sagen, oder davon, nicht mehr als 100 Dinge zu besitzen. Andere wiederum fordern uns auf doch mehr im Jetzt zu leben, hin und wieder im Regen zu tanzen oder im Mondschein zu schaukeln. Und doch möchte man an manchen Tagen diesen Stapel von Ratgebern einfach mit der nächsten Rakete zum Mond schicken, weil es mit der Umsetzung der guten Vorsätze einfach nicht gelingen will.

„Das Spiel ist aus“, ein Drehbuch von Jean-Paul Sartre, beschreibt die Kluft zwischen Lebensvorsätzen und ihrer tatsächlichen Umsetzung im Alltag gut: Darin merken zwei Tote, die im Jenseits wandeln, dass sie füreinander tiefe Gefühle hegen und sehnen sich danach um dieser Liebe Willen nochmals zu leben. Der Wunsch wird ihnen gewährt – allerdings nur unter der Bedingung, dass sie ihre Liebe im Leben tatsächlich finden und zelebrieren. Im Leben zurück spüren die beiden Liebenden schnell, dass sie die befreiende Gleichgültigkeit, die sie noch im Jenseits gegenüber gesellschaftlichen Konventionen und Status, mächtigen Institutionen und persönlicher Selbstverwirklichung empfunden hatten, nicht mehr aufrechterhalten können. Ihre Liebe gerät in diesem Der-Welt-ausgesetzt-Sein unter die Räder des Lebens und sie werden zurück ins Jenseits berufen.

Tatsächlich nach unseren Neujahrsvorsätzen zu leben ist also gelinde gesagt schwierig. Andererseits sollten wir uns auch nicht entmutigt fühlen, Vorsätze zu fassen und uns aufrichtig zu fragen, wie wir leben wollen, als Individuen und in unserer Gesellschaft. Welche Verantwortung können und wollen wir für unser Leben, für andere Menschen oder auch für andere Lebenswesen übernehmen? Welchen Beitrag können und wollen wir (realistischer Weise) leisten? Dabei muss uns bewusst sein, dass es immer Zeiten oder Tage geben wird, wo wir Geistesblitze erleben und genau zu wissen glauben, worauf es uns im Leben ankommt – und sogar danach handeln. Dann gibt es wiederum andere Zeiten, wo diese Weisheiten wieder gezwungen sind in den Hintergrund zu treten oder in Vergessenheit geraten. Wichtig ist, dass wir das Wesentliche nicht aus den Augen verlieren. Dabei helfen uns Beiden der Austausch und die Zusammenarbeit mit anderen, Rituale aber auch Oasen der Ruhe und Inspiration. Und was hilft Euch?