„Ob Gold aus den Black Hills oder Wasserkraft aus Missouri oder Ölpipelines, die unser angestammtes Erbe bedrohen, die Stämme haben immer den Preis für Amerikas Wohlstand bezahlt“, schrieb David Archambault, Stammesvorsitzender der Standing Rock Sioux, 2016 in der New York Times. Damit erklärte er seine Ablehnung gegenüber der Dakota Access Pipeline (DAPL), die Rohöl von North Dakota nach Illinois leiten würde. Er führte an, dass der Bau der DAPL, ohne Zustimmung des Stammes, heilige Stätten beschädigen und das Überleben seines Volkes durch etwa Wasserverschmutzung gefährden würde. Der Beginn des Widerstands des Stammes Standing Rock gegen den Bau der Pipeline war ein entscheidender Moment: Er vereinte und mobilisierte eine breite Koalition indigener Völker in ganz Nordamerika und stärkte auf diese Weise eine leidenschaftliche und langanhaltende Klimabewegung. Dieser Akt des Widerstands gegen die Industrie der fossilen Brennstoffe lenkte den Blick darauf, wie Korruption und Umweltrassismus die schwierige Lage indigener Völker verstärken und Industrie und Investor*innen Vorteile verschaffen.
Die Kämpfe indigener Völker
Weltweit gibt es etwa 370 Millionen indigene Völker. Armut in Verbindung mit Entwicklungsdruck hat viele von ihnen gezwungen, ihre angestammten Gebiete und/oder kulturellen Praktiken aufzugeben. Dies hat auch mit einer der Herausforderungen zu tun, mit denen viele indigene Gruppen konfrontiert sind: mangelnder Zugang zu rechtlichen Mitteln, um die Kontrolle über ihre angestammten Länder zu erhalten. Nur wenige indigene Gemeinschaften haben sich den rechtlichen Anspruch auf ihr Land gesichert, was sie anfällig für Landgrabbing macht. Die jüngsten politischen Entwicklungen lassen befürchten, dass diese Missbräuche weltweit zunehmen werden. In einem beunruhigenden Beispiel hat sich die illegale Vertreibung, Ermordung und Inhaftierung der Lumad-Völker der südlichen Philippinen, die bereits unter früheren Regierungen begann, unter der Regierung Dutertes nur noch verschärft. Auch in Brasilien wird erwartet, dass die Wahl des neuen Präsidenten Bolsonaro die Bergbauindustrie, die sich zur Hauptbedrohung der indigenen Völker des Amazonas entwickelt hat, stärken wird. In diesen schwierigen Zeiten kann man sich insofern fragen: Wie können indigene Gruppen in der Verteidigung ihres Lebensraums gestärkt werden?
Aufmerksamkeit fördern und schenken
Ein wesentlicher Schritt in diese Richtung ist sicherlich, indigenen Gemeinschaften, die sich für die Erhaltung von Lebensraum weltweit einsetzen, mehr Aufmerksamkeit zu teil werden zu lassen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass viele indigene Gruppen vorbildliche Hüterinnen, der von ihnen verwalteten natürlichen Ressourcen waren bzw. sind. So fällt beispielsweise oft die Abholzung in den von Indigenen bewohnten Gebieten deutlich geringer aus. Vom Amazonas bis in die Arktis haben nachhaltige Konsumpraktiken der Einheimischen dazu geführt, dass Ökosysteme unter ihrer Kontrolle erhalten werden konnten. Gleichzeitig macht es deutlich, dass der Transfer von indigenem Wissen und Praktiken auch einen entscheidenden Beitrag für die Erreichung globaler Umweltschutzziele leisten kann, auch in ökonomischer Hinsicht. Ein besonderer Bezug zu Vergangenheit und Zukunft bei vielen indigenen Völkern, führt darüber hinaus dazu, dass indigenes Wissen manchmal besondere Einblicke in Fragen der Nachhaltigkeit bieten kann. Wichtig sind Möglichkeiten, dieses Wissen auf verschiedenen Wegen aktiv weitergeben zu können sowie die Bereitschaft der Welt, ob Wissenschaft oder Praxis, zuzuhören.
Kunst als Sprachrohr
Neben Lobbyarbeit und Aktivismus hat sich dabei die Kunst als ein interessantes Instrument herauskristallisiert. Sie dient etwa dazu festzuhalten, wie sich das ändernde Klima auf relevante Ökosysteme auswirkt, aber auch dazu, die politischen Kämpfe aufzudecken, mit denen Gemeinschaften bei der Bewahrung ihrer natürlichen Umwelt konfrontiert sind. Aufgrund der unmittelbaren Betroffenheit durch Umweltveränderungen, wie sie etwa die indigenen Aktivist*innen von Standing Rock erfahren haben, kann der Widerstand gegen solche umweltschädliche Praktiken die Konsequenzen mit einer besonderen Authentizität vermitteln. „Rise“ ist zum Beispiel ein besonders eindrucksvolles Gedicht, das von Kathy Jetnil-Kijiner von den Marshall Islands und Aka Niviâna aus Grönland geschrieben wurde.
Möglichkeiten der Politik
Darüber hinaus können auch nationale und internationale, politische und zivilgesellschaftliche Akteure mit indigenen Völkern zusammenarbeiten und relevante Informationen verbreiten. Beispielsweise das durch die IUCN (International Union for Conservation of Nature) geförderte Waldmanagement-Projekt in Papua, Indonesien, versucht die Interessen der indonesischen Regierung und der dort lebenden indigenen Gruppen miteinander in Einklang zu bringen. Auch die Vereinten Nationen haben eine Kampagne zur Sensibilisierung, Erhaltung, Unterstützung und Würdigung der soziokulturellen Vielfalt indigener Völker ins Leben gerufen, die mit dem Jahr 2019 als Jahr der indigenen Sprachen (IYIL2019) gestartet wurde. Aber hier ist sicherlich noch viel zu tun.
Archambault beendete seinen Artikel mit den Worten des Chief Sitting Bull: „Lasst uns unsere Gedanken zusammenbringen und sehen, welches Leben wir für unsere Kinder schaffen können.“ Insofern hat ein Medizinmann der Lakota Sioux bereits vor 150 Jahren mit der Beschreibung einer generationenübergreifenden, globalen Gerechtigkeit den Kerngedanken dessen, was wir heute unter Nachhaltigkeit verstehen, erfasst.
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