Ein gutes Leben auch innerhalb des 1,5° Klimaziels?

Carola Leutermann

Wir treffen jeden Tag eine Vielzahl von Entscheidungen: Kaufe ich eher Fleisch oder Gemüse ein? Schaffe ich mir ein eigenes Auto an oder versuche ich, mit dem öffentlichen Nahverkehr zu meiner Arbeit zu kommen? Ziehe ich in eine kleinere oder größere Wohnung? Wo verbringe ich meinen nächsten Urlaub? Und wie gestalte ich meine Freizeit? Diese alltäglichen Entscheidungen haben nicht nur individuelle Konsequenzen, sondern beeinflussen in ihrer Summe unser Klima. Der durchschnittliche Pro-Kopf-CO2-Fußabdruck in der EU liegt bei 8,2 Tonnen CO2 pro Jahr und damit sind wir in der EU für 22% der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich (1). Diesen Fußabdruck gilt es, drastisch zu senken, um die durch das Pariser Klimaabkommen beschlossene 1,5° Grenze für die Erderwärmung zu erreichen oder zumindest in ihre Nähe zu kommen. Dass wir Bürgerinnen und Bürger dazu einen Beitrag leisten können und müssen, steht außer Frage. Aber wenn wir ehrlich sind, ist es mitunter überfordernd und frustrierend bei den alltäglichen Entscheidungen zum Beispiel im Supermarkt „emissionsarm“ zu handeln. Der genaue Effekt, den eine Verhaltensänderung erreichen würde, ist schwierig abzuschätzen und der eigene Beitrag zum globalen Ziel erscheint im Zweifel deprimierend marginal. Die große Frage bleibt also: Wie können 1.5°-kompatible Lebensstile erreicht werden?

Über nachhaltige Lebensstile

Unsere Lebensstile werden maßgeblich durch politische Rahmensetzung, wirtschaftliche Strukturen und gesellschaftliche Werte beeinflusst (2). Wird beispielsweise ein verlässlicher, öffentlicher Nahverkehr zur Verfügung gestellt, so fällt eine Entscheidung für oder gegen ein eigenes Auto vielleicht anders aus. Zeigt die vorgeschriebene Verpackung auf, wie viel CO2-Äquivalente und Wasser für die Produktion von Fleisch benötigt wird, üben wir vielleicht häufiger Verzicht? Und wie würde sich unser Konsumverhalten ändern, wenn wir nicht überall und ständig durch Werbung zum Kauf von diesem oder jenem angeregt würden? Es ist also nicht nur an den Bürgerinnen und Bürgern, ihren individuellen Lebensstil zu verändern. Wir brauchen Veränderungen in den Strukturen, innerhalb derer wir unser Leben gestalten können. Diese Rahmenbedingungen sollten es uns erleichtern und nicht erschweren, unsere alltäglichen Entscheidungen nachhaltiger werden zu lassen. Nur durch eine Veränderung der grundsätzlichen Weichenstellungen wird ein gutes Leben für alle innerhalb des 1.5° Klimaziels möglich sein.

Herausforderungen bei Lebensstilveränderungen

Eine Herausforderung dabei ist, dass Lebensstile sehr vielfältig sind und oftmals von äußeren Einflüssen abhängen. So spielt es eine Rolle, wo ich beispielsweise in der EU lebe und was für ein verfügbares Einkommen ich habe. Des Weiteren betreffen Lebensstile unterschiedliche Bereiche, welcher jeder für sich betrachtet komplex ist. Große Auswirkungen auf die CO2-Emissionen haben insbesondere die Themenfelder Mobilität, Wohnen, Ernährung und Freizeit. Es gilt zu überlegen, welche Rahmenbedingungen die Politik für einen nachhaltigen Lebensstil innerhalb dieser Bereiche schaffen kann. Wie werden Unternehmen dabei eingebunden? Inwieweit können uns technologische Innovationen bei diesen Veränderungen helfen, und wo muss die Organisation von Produktion und Konsum also solche verändert werden?

Das EU Projekt 1,5° Lifestyles

Diese Fragestellungen werden unter anderem im vierjährigen von der EU geförderten 1,5° Lifestyles Projekt erforscht. Ziel des Projekts ist es, Handlungsempfehlungen sowohl für unsere politischen Entscheidungsträger*innen als auch für Bürger*innen auszuarbeiten. An dem Projekt arbeitet eine Vielzahl an Forscher*innen aus verschiedenen EU-Mitgliedsstaaten zusammen unter der Leitung von Professorin Doris Fuchs von der Universität Münster. Für mehr Informationen zu den Projektpartnern und den einzelnen Projektschritten besucht gerne folgende Internetseite: https://onepointfivelifestyles.eu/new-h2020-project-lifestyle-changes. Das Projekt hat auch einen eigenen Newsletter, den auch ihr hier abonnieren könnt: https://onepointfivelifestyles.us5.list-manage.com/subscribe?u=278197bd9a2b2f151e62831e0&id=791b80a8e6! So erhaltet ihr regelmäßig Updates zu Fortschritten und Ergebnissen des Projekts. Interessieren euch außerdem weitere Gedanken zu einem „guten Leben“, dann schaut folgenden Blogbeitrag an: http://nach-haltig-gedacht.de/2021/03/04/ueber-das-gute-leben-innerhalb-nachhaltiger-grenzen/.

Literaturangaben:

(1): https://www.cambridge.org/core/journals/global-sustainability/article/unequal-distribution-of-household-carbon-footprints-in-europe-and-its-link-to-sustainability/F1ED4F705AF1C6C1FCAD477398353DC2

(2): https://www.oneplanetnetwork.org/sites/default/files/a_framework_for_shaping_sustainable_lifestyles_determinants_and_strategies_0.pdf

Über die Autorin:

Carola Leutermann, M.Ed., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Internationale Beziehungen und Nachhaltige Entwicklung des Instituts für Politikwissenschaft der Universität Münster.

Beitragsbild:

Copyright: EU Projekt 1,5° Lifestyles