Due Diligence – Das Instrument zum Schutz von Menschenrechten in der Wirtschaft?

Benedikt Lennartz und Friederike Hinrichs

Die Debatte über die Notwendigkeit der Regulierung des Schutzes der Menschenrechte in Wertschöpfungsketten hat in den vergangenen Jahren an Dynamik gewonnen. Damit gingen eine Reihe von politischen Initiativen zur Regulierung der Verantwortung von Unternehmen in diesem Bereich einher. In Anbetracht dieser aktuellen Entwicklungen, wie der Einführung des deutschen Gesetzes zu Sorgfaltspflichten in Lieferketten und der angestrebten Ergänzungen EU-Richtlinie zu „Corporate Sustainability Due Diligence“ lohnt es sich sowohl die Entwicklung hin zu diesen neuen Regulierungsinstrumenten zu betrachten, als auch auf Due Diligence oder „Sorgfaltspflichten“ als zentralem Instrument dieser Ansätze, zu blicken und die Unterschiede zwischen den Vorschlägen zu analysieren.

Die Regulierung des Schutzes von Menschenrechten in Wertschöpfungsketten erfuhr mit der Annahme der United Nations Guiding Principles on Business and Human Rights (UNGP) im Jahr 2011 eine entscheidende Wende. Diese Prinzipien, oft als Ruggie-Prinzipien nach dem UN-Sonderbeauftragten John Ruggie bezeichnet, legten den Rahmen für die Rolle von Staaten und Unternehmen in Bezug auf Menschenrechte fest. Sie basieren auf drei Säulen: der staatlichen Pflicht zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen durch Dritte, einschließlich Unternehmen; der unternehmerischen Verantwortung zur Achtung der Menschenrechte; und dem Zugang zu Abhilfe für Opfer von Menschenrechtsverletzungen. Die UNGP waren dabei stets auf Umsetzung durch Nationalstaaten angewiesen, da für die Verantwortung zur Achtung der Menschenrechte durch Unternehmen keine internationale Durchsetzungsmöglichkeiten bestehen. Die UNGP wurden von Staat zu Staat unterschiedlich umgesetzt, wobei die Bandbreite von Gesetzen bis zu „Aktionsplänen“ reichte, deren Umsetzung für Unternehmen freiwillig war. In Deutschland wurde 2015 der „Nationale Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte“ beschlossen, in dessen Rahmen eine Evaluation der Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen enthalten war. Diese Evaluation brachte 2020 ernüchternde Ergebnisse: Nur ein Bruchteil der Unternehmen, die auf die Anfrage zu ihren Aktivitäten zum Menschenrechtsschutz reagierten, setzen den Nationalen Aktionsplan um. Als Konsequenz dieser Evaluation begann in Deutschland der Gesetzgebungsprozess, der 2021 im Gesetz zu Sorgfaltspflichten in Lieferketten mündete.

Nachdem Bemühungen, den Schutz der Menschenrechte entlang von Wertschöpfungsketten zu gewährleisten, in den 2000er Jahren Rückschläge erlitten, waren die UNGP ein Ansatz, auf den sich die internationale Gemeinschaft einigen konnte. Dafür war die Unterscheidung der staatlichen Pflicht von der unternehmerischen Verantwortung zentral, da es den wichtigsten Kritikpunkt an vorherigen Initiativen entkräftete, die bemängelten, dass staatliche Pflichten auf private Akteure ausgelagert werden sollten. Die lückenhafte Umsetzung und begrenzten Effekte von freiwilligen Maßnahmen führten jedoch in der Folge dazu, dass vermehrt gesetzliche Regelungen für den Schutz der Menschenrechte verabschiedet wurden. Ein zentrales Element in diesen Ansätzen ist das Konzept der Sorgfaltspflichten, das vorsieht, Kriterien für Prozesse und Strukturen zu definieren, die sicherstellen sollen, dass gewisse Grundsätze eingehalten werden – beispielsweise der Schutz der Menschenrechte. Die UNGP haben so eine Diskussion über die Notwendigkeit und die Form von bindenden Verpflichtungen angestoßen und den Weg für strengere nationale, regionale und möglicherweise zukünftig auch globale Vorschriften bereitet.

Das Konzept der Due Diligence

Das zentrale Instrument, das die UNGP Unternehmen für ihre Verantwortung zur Achtung der Menschenrechte an die Hand geben ist die „Due Diligence“, auf Deutsch „Sorgfaltspflichten“. Der Begriff „Due Diligence“ wurde erstmals in den OECD-Leitfäden für multinationale Unternehmen geprägt. Die OECD definiert Sorgfaltspflichten als Prozess, durch den Unternehmen ihre tatsächlich und potentiell schädigenden Auswirkungen erkennen, verhindern, abmildern und darüber Rechenschaft ablegen können. Dieser Prozess kann in umfassendere Risikomanagementsysteme der Unternehmen integriert werden, sofern diese über die bloße Identifizierung und das Management wesentlicher Risiken für das Unternehmen selbst hinausgehen und auch die Schadensrisiken der im Zusammenhang mit den in den Leitlinien behandelten Themen einschließt. Das Grundkonzept der Due Diligence wird bereits lange und in zahlreichen anderen Bereichen von Unternehmen angewandt, zum Beispiel zur Überprüfung potentieller Geschäftspartner*innen oder bei geplanten Übernahmen anderer Unternehmen.

Due Diligence-Regeln beschreiben also Prozesspflichten, die private Akteure erfüllen müssen. In der Regulierung von Lieferketten heißt das, sofern die genannten Vorschriften erfüllt werden, machen Unternehmen sich durch ihre Geschäftstätigkeit keines Vergehens schuldig. Dies ist insbesondere in Lieferantenbeziehungen ein wichtiger Aspekt, der Unternehmen ein Instrument an die Hand gibt, um einschätzen zu können, ob eine Geschäftsbeziehung begonnen werden kann oder möglicherweise beendet werden sollte. Prozesspflichten sind also keine Ergebnispflichten. Wenn es zu Menschrechtsverletzungen in der Lieferkette kommt, können Unternehmen ihre Verantwortung zur Einhaltung der Menschenrechte durch Due Diligence erfüllen. Staaten hingegen haben die Pflicht Menschenrechte zu schützen.

In der konkreten Umsetzung sehen die menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten, wie sie sowohl im OECD-Leitfaden als auch in den UNGP und anderen Rahmen für Sorgfaltspflichten beschrieben werden, zentral eine Grundsatzerklärung des Unternehmens vor, die auf höchster Unternehmensebene beschlossen werden soll. Sie soll fundiertes Fachwissen beinhalten und die Erwartungen des Unternehmens an alle Beteiligten klar darlegen. Außerdem wird die Einrichtung eines Risikomanagementsystems, die Überwachung des Systems, Maßnahmen zur Beseitigung von Missständen und ein Beschwerdeverfahren angeregt.

Menschenrechtliche Sorgfaltspflichten in Deutschland und der EU

Nachdem Due Diligence zunächst durch die UNGP als freiwilliger Leitfaden diente wird der Ansatz in den darauffolgenden Jahren als Grundlage verschiedener Regulierungsinitiativen genutzt. Neben dem deutschen Gesetz zu Sorgfaltspflichten in Lieferketten, dem französischen Loi de Vigilance oder dem britischen Modern Slavery Act strebt die EU im Rahmen des EU-Vorschlags 2022/0051 COD eine Reform der EU-Richtlinie zu Corporate Sustainability Due Diligence an, in deren Rahmen Menschenrechtsrisiken adressiert werden sollen. Nachdem schon das deutsche Gesetz vor seiner Verabschiedung breit diskutiert wurde, ist es lohnend, sowohl das deutsche Gesetz als auch die geplante EU-Richtlinie genauer zu betrachten.

Das deutsche Lieferkettengesetz im Fokus

Das LkSG ist ein erster Versuch Deutschlands, Unternehmen zur Umsetzung konkreter Verantwortungsmaßnahmen zur Achtung von Menschenrechten in ihrer Lieferkette zu verpflichten. Ursprünglich umfasste es nur Unternehmen mit mindestens 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Inland. Ab 2024 wird diese Schwelle jedoch auf 1.000 Mitarbeiter reduziert. Betroffene Unternehmen sind verpflichtet eine Reihe von Maßnahmen zu ergreifen, um mögliche Menschenrechtsverletzungen zu verhindern. Diese greifen dabei insbesondere für direkte Zulieferer, entlang der tieferen Lieferkette sind die Unternehmen nur verpflichtet einzugreifen, wenn sie Hinweise auf Probleme haben.

Die EU-Richtlinie Corporate Sustainable Due Diligence: Ein Fortschritt gegenüber dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz?

Kritiker*innen des LkSG halten es für nicht weitreichend genug. Insbesondere an der Einschränkung der des Geltungsbereiches auf große Unternehmen, dem Fehlen zivilrechtlicher Haftung und der Unterscheidung zwischen direkten Zulieferern und der tieferen Lieferkette wird Kritik geübt. Der Vorschlag der EU-Kommission würde diese Kritik zum Teil adressieren: so sollen Unternehmen mit mindestens 500 Beschäftigten und einem Nettoumsatz von mindestens 150 Millionen Euro weltweit in den Geltungsbereich fallen. Der Rechtsausschuss des Europäische Parlament geht sogar noch weiter und schlägt vor, Unternehmen ab 250 Beschäftigten und einem Nettoumsatz von mindestens 40 Millionen Euro zu erfassen. Auch die Lieferkette soll durch die EU-Richtlinie vollständig adressiert werden. Eine reine Beobachtung der aktuellen Daten lässt also vermuten, dass die EU-Richtlinie deutlich weiter als das LkSG greifen könnte. Nichtsdestotrotz ist auch die Richtlinie von der Seite von Menschenrechtsaktivist*innen nicht komplett unumstritten. Zum Beispiel wird kritisiert, dass die Richtlinie die EU-Mitgliedsstaaten nicht zu einer fairen Beweislast verpflichtet. Beide Instrumente, sowohl das deutsche Gesetz als auch die EU-Richtlinie, zeigen die Bedeutung von verbindlichen Rechtsrahmen, um den Schutz der Menschenrechte entlang globaler Wertschöpfungsketten voranzubringen. Dass diese Form der Regulierung nicht unumstritten ist, zeigt sich einerseits an der Vielzahl gescheiterter vorheriger Initiativen zur Regulierung des Schutzes von Menschenrechten in globalen Wertschöpfungsketten, und andererseits am Widerstand, zum Beispiel aus Wirtschaftsverbänden, in Deutschland. So erklärte der Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer 2019 das Sorgfaltspflichtengesetz zu „großem Unfug“, und dass er diesem Gesetz zufolge bereits „mit beiden Beinen im Gefängnis stehe“. Im Laufe des Gesetzgebungsprozesses konnten sich die kritischen Stimmen aus verschiedenen Wirtschaftsverbänden und Politik dann auch mit einer Reihe von Änderungsvorschlägen durchsetzen. Nachdem große Unternehmen in Deutschland jetzt zu Menschenrechts-Due Diligence verpflichtet sind und absehbar auch EU-weit Vorschriften erlassen werden, werden diese sich in der Realität beweisen müssen – denn entscheidend für die Beschäftigten in den globalen Wertschöpfungsketten ist der Effekt auf Arbeitsbedingungen und Umweltauswirkungen. Interessant bleibt außerdem, wie es nun mit der EU-Richtlinie weitergehen wird: Nachdem die erste Lesung im Europäischen Parlament auf den 1. Juni 2023 angesetzt war, wurde die Richtlinie mit einer Reihe von Änderungsanweisungen an die Ausschüsse zurückverwiesen, deren Ergebnisse in der nächsten Lesung diskutiert werden.

Zum Nachlesen empfehlen wir unter anderem folgende Quellen:

Benedikt Lennartz, M.A. ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Internationale Beziehungen und Nachhaltige Entwicklung sowie am Zentrum für Interdisziplinäre Nachhaltigkeitsforschung der Universität Münster. Seine Forschungsschwerpunkte sind Wirtschaft und Menschenrechte, Global Governance sowie KI und Nachhaltigkeit.

Friederike Hinrichs studiert Politik und Recht der Universität Münster und arbeitet als studentische Hilfskraft am Lehrstuhl für Nachhaltige Entwicklung der Universität Münster. Sie interessiert sich besonders für internationale Beziehungen und Menschenrechte.