Zivilgesellschaft unter Druck – Das Politikum der Gemeinnützigkeit

Gemeinnützigkeit, insbesondere der Status von Organisationen als gemeinnützig, ist eigentlich ein sehr trockenes Thema. Ein Thema aber, das für viele Organisationen, die diesen Status haben, überlebenswichtig ist und das auch sehr relevant ist für die Frage, ob und wie unsere Demokratie funktioniert. Als gemeinnützig anerkannt zu sein, verleiht gesellschaftliches Gewicht, bringt Steuererleichterungen mit sich und hilft u.a. deshalb auch bei der Spendenakquise. Tatsächlich verbirgt sich gerade auch aus diesen Gründen in dem oberflächlich trockenen Thema erhebliches politisches Konfliktpotential, wie aktuelle Entwicklungen zeigen. Kann ein Absprechen der Gemeinnützigkeit genutzt werden, um die Formulierung unliebsamer politischer Gegenstimmen aus der Zivilgesellschaft zu erschweren?

Ob eine Organisation als gemeinnützig gilt, entscheidet das jeweils zuständige Finanzamt. Dabei handelt es sich eigentlich um einen bürokratischen Prozess der zwar dem Entscheidungsspielraum der Beamtinnen und Beamten unterworfen ist, sich aber direkter politischer Einflussnahme von externen Akteuren entzieht. Denn Grundlage für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit ist die Prüfung von Vereinen, Stiftungen, GmbHs oder auch in seltenen Fällen Aktiengesellschaften anhand von drei festgelegten Kriterien, wie sie in der Abgabenordnung (AO, §52) definiert sind:

  1. Selbstlose Förderung der Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet,
  2. Ausschließliche Förderung der in der Satzung festgelegten Zwecke
  3. Unmittelbare Verfolgung der steuerbegünstigten Zwecke.

Sieht das Finanzamt dies als gegeben, wird der Organisation der Status zuerkannt. Hierbei können gemeinnützige Vereine und Organisationen einer Vielzahl von Aktivitäten nachgehen, die in einem Zweckkatalog mit 25 Punkten der Abgabenordnung näher ausgeführt werden. Dieser umfasst von der Förderung von Wissenschaft und Forschung über Kunst und Kultur bis zu Sport eine breite Palette an Zwecken. Bekannte Beispiele für gemeinnützige Organisationen mit unmittelbar humanitärem Anspruch sind beispielsweise Amnesty International, die Kindernothilfe oder Jugend RETTET. Aber auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) ist als gemeinnützig gelistet, obgleich dieser auch kommerzielle Interessen verfolgt (mehr dazu in Zukunft, s. auch hier).

Gemeinnützigkeit als politische Frage

Spannender Weise mischen sich aktuell politische Akteure in die Diskussion ein, ob bestimmte Organisationen gemeinnützig sein sollten oder nicht. So drängte im letzten Jahr das Bundesfinanzministerium, zu dieser Zeit unter Finanzminister Schäuble, das hessische Finanzamt vor das Bundesfinanzgericht zu ziehen, um der zivilgesellschaftlichen Organisation Attac die Gemeinnützigkeit abzuerkennen, nachdem Attac zuvor den diesbezüglichen Prozess vor dem Hessischen Finanzgericht gewonnen hatte. Attac besteht seit 2009 und setzt sich insbesondere für die Besteuerung von Finanztransaktionen ein. 2014 wurde der globalisierungskritischen Organisation vom hessischen Finanzamt die zuvor zuerkannte Gemeinnützigkeit aberkannt. Kritisiert wurde, dass Attac über seine Satzungszwecke hinaus ein eigenes politisches Programm verfolge. Der Widerspruch von Attac vor dem Hessischen Finanzgericht gegen diese Aberkennung hatte allerdings erst einmal Erfolg. Daraufhin wurde dann wie gesagt das Bundesfinanzministerium aktiv.

Spätestens mit dem Drängen des Bundesfinanzministeriums, den Fall vor das Bundesfinanzgericht zu bringen, wird die Gefahr der Instrumentalisierung der Gemeinnützigkeitsfrage durch die Politik deutlich. Auch die CDU wagte sich hier bereits voran und nahm einen, der Partei unbequemen, Akteur in den Blick. Im Dezember 2018 beschloss sie auf ihrem Parteitag, die Gemeinnützigkeit der Deutschen Umwelthilfe (DUH) prüfen zu lassen. Die DUH hat von sich Reden gemacht, indem sie vor Gerichten Dieselfahrverbote einklagt. Ebenso ist die Bewegungsplattform Campact ins Visier politischer Akteure geraten, diesmal von der Rechtsaußen-Partei AfD.

Wenn aber Attac, die DUH oder Campact nicht gemeinnützig sein sollen, wie sieht es denn mit dem oben erwähnten mit kommerziellen Interessen verwobenen DFB oder unternehmensnahen und -finanzierten Organisationen wie der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik e.V. aus? Wie steht es um den, mittlerweile aufgelösten, gemeinnützigen Förderverein der Initiative „Neue Soziale Marktwirtschaft“, der bis 2016 Spenden für die Initiative sammelte? Und was ist mit den zwar nicht als gemeinnützig anerkannten, aber doch steuerlich begünstigten wirtschaftlichen Lobbyverbänden wie dem BDI, dem Arbeitgeberverband Gesamtmetall und anderen Unternehmensverbänden?

Insofern ist der Fall Attac ein Paradebeispiel einer besorgniserregenden Entwicklung. Der Status der Gemeinnützigkeit wird zum Politikum stilisiert, welches Grundsätze der Gewaltenteilung in Frage stellt! Speziell „unangenehme“ Stimmen aus der organisierten Zivilgesellschaft scheinen nachhaltig unter Druck gesetzt zu werden.

Dieser Entwicklung wollen nun mehr als 120 divers engagierte Vereine und Stiftungen entgegentreten: Sie schlossen sich 2015 zur „Allianz Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ zusammen. Ziel ist es, vor dem Hintergrund der politischen Bedeutung gemeinnütziger Organisationen für die Demokratie und ihrer Rolle als „Korrektiv zu eigennützigen Lobby-Interessen und zu vorschnellen politischen Entscheidungen“ (https://www.zivilgesellschaft-ist-gemeinnuetzig.de/),  eine Überarbeitung des Gemeinnützigkeitsrechts durch eine bessere rechtliche Absicherung zu gewährleisten. Diese Initiative zur Reform des Gemeinnützigkeitsrechts sowie die Rolle von unternehmensnahen und -finanzierten Organisationen werden wir in zukünftigen Beiträgen weiter beleuchten.

Gerade im aktuellen politischen Klima ist es wichtig, als Zivilgesellschaft und demokratischer Akteur klar Stellung gegen Rechts und für Solidarität zu beziehen. Vor diesem Hintergrund ist die Entwicklung, Zivilgesellschaft über die Drohung der Aberkennung der Gemeinnützigkeit entpolitisieren zu wollen, alarmierend. Die Kontrollfunktion einer wachsamen und unbequemen Zivilgesellschaft steht auf dem Spiel. Für uns Bürger*innen heißt es, wachsam zu bleiben und wo immer möglich und notwendig, gegen solch ein Vorgehen Stellung zu beziehen.

 

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