„Greenwashing“ in Organisationen – Was versteht man darunter, und warum sollte man sich damit beschäftigen?

Simin Ziegler und Guido Hertel

Umweltbezogene Nachhaltigkeit und das Einhalten der planetaren Grenzen, wie zum Beispiel die Begrenzung des Klimawandels, sind zentrale gesellschaftliche Herausforderungen. Diese werden mittlerweile von Organisationen zunehmend aufgegriffen, beispielsweise, indem klimafreundliche Anpassungen in der Produktion oder Logistik herausgestellt werden, oder aber die Unterstützung externer Nachhaltigkeitsprojekte wie die Aufforstung von Waldgebieten oder die Filterung von Mikroplastik aus dem Meer. Ähnlich wie bei anderen „Corporate Social Responsibility” Aktivitäten versprechen sich Organisationen von der Unterstützung nachhaltiger Projekte positive Effekte auf die Wahrnehmung der Organisation, sowohl von Kund*innen und Investor*innen als auch von den eigenen Mitarbeitenden. Eine notwendige Voraussetzung für diese positiven Effekte ist allerdings, dass der Einsatz für umweltbezogene Nachhaltigkeit auch glaubhaft ist. Wenn dagegen eine Diskrepanz zwischen der Selbstdarstellung und der tatsächlichen Umsetzung nachhaltiger Projekte besteht, dann spricht man oft von Greenwashing. Aber was genau heißt eigentlich „Greenwashing“? In diesem Beitrag geht es um ein genaueres Verständnis des Phänomens Greenwashing, des Zustandekommens von Greenwashing Vorwürfen sowie der Konsequenzen solcher Vorwürfe für verschiedene Interessensgruppen, wie zum Beispiel Kund*innen oder auch die Mitarbeitenden einer Organisation. Zudem entwickeln wir Empfehlungen für Organisationen, wie sie den Vorwurf von Greenwashing vermeiden können. 

Was genau verstehen wir unter Greenwashing?

Ursprünglich kommt der Begriff Greenwashing aus dem aktivistischen Bereich. Er wird aber zunehmend auch in der wissenschaftlichen Forschung als Beschreibung für Diskrepanzen zwischen umweltbezogener Absichtserklärung und deren Umsetzung genutzt, die eine Irreführung oder Täuschung von Personen, sowohl außerhalb (Kund*innen, Investor*innen) als auch innerhalb (Mitarbeitende) einer Organisation zur Folge hat (aktuelle Übersicht z. B. Montgomery et al., 2023). Konkrete Beispiele für Greenwashing sind die selektive Veröffentlichung von umweltfreundlichen Produktanteilen oder der Einsatz von Symbolen der Naturverbundenheit, wie Bäumen oder blauem Himmel, ohne dass dies mit entsprechendem umweltbezogenem Verhalten verbunden ist.

Dabei ist die Einschätzung, ob tatsächlich eine Diskrepanz zwischen Anspruch und Umsetzung besteht, gar nicht so einfach. So ist der Zugang zu geeigneten objektiven Daten oft schwierig. Zudem ist die Messbarkeit von Konsequenzen organisationaler Strategien für die Umwelt und das Klima komplex, und wird deshalb teilweise sehr kontrovers diskutiert. Aufgrund dieser Schwierigkeiten kommt es nicht selten zu Fehleinschätzungen. Etwa, wenn tatsächlich bestehende Diskrepanzen nicht erkannt werden, oder wenn subjektiv eine Diskrepanz zwischen Anspruch und Umsetzung einer Organisation wahrgenommen wird, obwohl objektiv keine vorliegt. In unserer Forschung beschäftigen wir uns vor allem mit der subjektiven Wahrnehmung von Greenwashing, weil für die Einzelperson die wahrgenommene Diskrepanz und deren Bewertung handlungsleitend ist. 

Wir gehen davon aus, dass wahrgenommenes Greenwashing signifikanten Einfluss darauf hat, wie Personen eine Organisation generell einschätzen und sich in Bezug auf die Organisation verhalten. Diese Reaktionen können jedoch sehr unterschiedlich sein, weshalb ein tiefergehendes Verständnis der beteiligten psychologischen Prozesse wichtig ist. So führt beispielsweise eine wahrgenommene Diskrepanz zwischen Anspruch und Umsetzung umweltbezogener Strategien einer Organisation nicht automatisch auch zu wahrgenommenem Greenwashing, sondern wird zusätzlich durch Erklärungen und Ursachenzuschreibungen der Person beeinflusst. Der Eindruck von Greenwashing entsteht vor allem dann, wenn Personen davon ausgehen, dass die Organisation die Diskrepanz zwischen Anspruch und Umsetzung selbst verursacht und diese absichtlich herbeiführt, beispielsweise wenn geleakte interne Dokumente einer Organisation belegen, dass das Management gar keine Finanzmittel für angebliche Umweltprojekte eingeplant hat. Wenn hingegen Verzögerungen für eine versprochene Umstellung auf erneuerbare Energien nachvollziehbar auf Lieferengpässe der bestellten Solaranlagen zurückgehen, werden die meisten Menschen kein Greenwashing wahrnehmen. Darüber hinaus kann es auch Fälle geben, in denen eine Organisation zwar für eine Diskrepanz verantwortlich ist, diese aber nicht absichtlich verursacht hat, beispielsweise weil die Informationslage oder Fachkompetenz der verantwortlichen Entscheidungsträger bei der Planung unzureichend war. In diesem Fall sind nachhaltige Aktivitäten einer Organisation zwar gut gemeint, aber nicht ausreichend umgesetzt. Ein solcher Eindruck ist insbesondere bei Mitarbeitenden denkbar, die tiefergehende Einblicke in die internen Abläufe der Organisation haben. Wir gehen davon aus, dass sich Personen in einem solchen Fall weniger stark getäuscht fühlen und entsprechend weniger negativ reagieren als bei absichtlich verursachter Diskrepanz zwischen Anspruch und Umsetzung. Insgesamt zeigen diese Beispiele, dass die Konsequenzen von Diskrepanzen zwischen kommuniziertem und tatsächlichem nachhaltigen Verhalten einer Organisation sehr unterschiedlich ausfallen können, und von zusätzlichen Einflussfaktoren abhängen.

Welche Konsequenzen hat wahrgenommenes Greenwashing in Organisationen?

Wie aber reagieren Personen, die Greenwashing wahrnehmen? Für Personengruppen außerhalb der Organisation, wie zum Beispiel Kund*innen, zeigen Studien bereits konkrete Verhaltensänderungen nach Greenwashing-Verdacht, wie beispielsweise den Rückgang von Kaufabsichten und Konsumverhalten  (z. B. Chen et al., 2020; Rausch & Kopplin, 2021). Für Personen innerhalb der Organisation, insbesondere für Mitarbeitende, sind die Auswirkungen dagegen noch wenig erforscht. Erste Befunde zeigen, dass Mitarbeitende ihr Unternehmen aufgrund von Greenwashing als unehrlicher wahrnehmen und dadurch schneller Kündigungsabsichten entwickeln (Robertson et al., 2023) oder ihre Leistung reduzieren (Li et al., 2022). Die zugrundeliegenden Prozesse können vielfältig sein, und beinhalten sowohl emotionale Reaktionen wie beispielsweise Scham oder Wut auf das Fehlverhalten der eigenen Organisation, als auch die Wahrnehmung mangelnder Passung und Übereinstimmung mit den Werten der Organisation, sowie Interpretationen von Greenwashing als Indikator für die fehlende generelle Integrität des Arbeitsgebers. Insbesondere der letztgenannte Prozess beeinträchtigt die Vertrauensbasis für viele Aspekte der Zusammenarbeit. 

Wie können Organisationen den Eindruck von „Greenwashing“ vermeiden?

Auf der Basis dieser detaillierteren Analyse der beteiligten psychologischen Prozesse und Reaktionen bieten sich vielfältige Möglichkeiten, wie Organisationen negative Konsequenzen von wahrgenommenem Greenwashing vermeiden können. Die erste Möglichkeit ist natürlich, tatsächliche Diskrepanzen zwischen der Ankündigung und der Umsetzung umweltbezogener Aktivitäten möglichst gering zu halten. Dafür kann sowohl an der Kommunikation als auch an der umweltbezogenen Praxis gearbeitet werden. Natürlich können Organisationen generell darauf verzichten, in ihrer Außendarstellung nachhaltige Aktivitäten zu betonen. Damit wäre eine notwendige Voraussetzung für die Wahrnehmung von Greenwashing nicht erfüllt. Tatsächlich verzichten manche Organisationen bewusst darauf, umweltfreundliche Initiativen in ihrer Außendarstellung zu kommunizieren. Ein solches „Herunterspielen“ umweltbezogener Aktivitäten bezeichnet man auch als Brownwashing. Das Ziel kann dabei sein, den öffentlichen Druck auf die Organisation zu reduzieren und das Risiko potenzieller Greenwashing-Anschuldigungen zu vermeiden. Gleichzeitig verzichten Organisationen in solchen Fällen aber auf die positiven Effekte ihrer umweltbezogenen Aktivitäten für die Motivierung und Bindung ihrer Mitarbeitenden.

Wenn Organisationen umweltfreundliche Aspekte ihrer Arbeitsprozesse oder Produkte bewusst darstellen, dann sollte dies möglichst transparent und vollständig sein. Dabei kann es hilfreich sein, noch ausbaufähige Aspekte ebenso transparent zu kommunizieren, um dem Eindruck selektiver Veröffentlichung von positiven Informationen entgegenzuwirken. Diese Kommunikation von Maßnahmen ist nicht nur nach außen wichtig, sondern vor allem auch nach innen an die eigenen Mitarbeitenden. Wie Mitarbeitende ihre Organisation wahrnehmen, beeinflusst sowohl ihre tätigkeitsbezogene Leistung und freiwilliges Verhalten am Arbeitsplatz als auch, wie sie ihren Arbeitsgeber nach außen vertreten und darstellen. Führungskräfte können hier dazu beitragen, ethische und moralische Vorstellungen und Erwartungen an ihre Mitarbeitenden weiterzugeben, deren Umsetzung zu unterstützen und beispielsweise in Trainings zu fördern. Eine hilfreiche Grundvoraussetzung ist dabei die Schaffung eines offenen und sicheren Organisationsklimas, damit ein ehrlicher Austausch möglich ist. Dieser lohnt sich vor allem dann, wenn Mitarbeitende ausreichende Informationen zur Verfügung haben, ihre Vorschläge und etwaige Bedenken ernst genommen werden, und sie bei zukünftigen Verbesserungen zur Vermeidung von Greenwashing mitarbeiten können. Organisationen können dadurch nicht nur unerwünschte Reaktionen von Mitarbeitenden verringern, sondern vor allem auch von der fachlichen Expertise und Erfahrung ihrer Mitarbeitenden bei der Umsetzung nachhaltigkeitsbezogener Ziele profitieren. 

Was können Mitarbeitende tun?

Mitarbeitende spielen eine wichtige Rolle für die Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen in Organisationen. Zumeist haben sie umfangreiche Einblicke in die Arbeitsabläufe ihrer Organisation, wissen was realistisch ist, und können die tatsächliche Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit umweltbezogener Ziele durch eigene Aktivitäten und Ideen mit beeinflussen. Eine solche konstruktive Einbindung ist für alle Seiten wünschenswerter als negative Reaktionen wie die Kündigung oder das öffentlich machen problematischer betriebsinterner Abläufe (Whistleblowing). Dabei stellt sich für Mitarbeitende auch die Frage, wie sie selbst zu etwaigem Greenwashing beitragen. So können sie beispielsweise Aktivitäten der Organisation zu umweltbezogener Nachhaltigkeit transparent und korrekt kommunizieren, oder auch Aufträge von Führungskräften hinterfragen, deren Ausführung zu Greenwashing beitragen würde. Dabei wird implizit davon ausgegangen, dass Mitarbeitende vor allem gesellschaftliche Ziele und Interessen vertreten. 

Ein bislang vernachlässigter Aspekt ist jedoch, dass Mitarbeitende auch bestehende Diskrepanzen zwischen Anspruch und Umsetzung nachhaltigen Verhaltens in der eigenen Organisation decken und unterstützen können. Umweltschutz und Nachhaltigkeit kann für Mitarbeitende nur eine geringe persönliche Bedeutung haben. Darüber hinaus können strategische Überlegungen zum Tragen kommen, wie beispielsweise die Loyalität zum Arbeitgeber und zu den Kolleg*innen, oder die Sorge um den eigenen Arbeitsplatz. Tatsächlich kann unethisches Verhalten am Arbeitsplatz generell nicht nur durch egoistische Motive motiviert sein, sondern auch durch Ziele, die als prosozial gegenüber der eigenen Organisation oder den Kolleg*innen empfunden werden (Mo et al., 2023).

Zusammengefasst können die Konsequenzen von wahrgenommenem Greenwashing für Mitarbeitende recht unterschiedlich sein. Ein tieferes Verständnis der beteiligten Prozesse ist dabei entscheidend, um nachhaltige Veränderungen zu ermöglichen, beispielsweise durch Führungs- oder Personalentwicklungsmaßnahmen. Aus unserer Sicht sollte das Ziel eines wirklich nachhaltigen Personalmanagements nicht allein darin bestehen, Diskrepanzen zwischen Außendarstellung und tatsächlichem Verhalten in einer Organisation zu reduzieren, sondern zusätzlich auch eine offene und frühzeitige Kommunikation von wahrgenommenen Diskrepanzen durch die Mitarbeitenden zu ermöglichen und zu unterstützen. Dadurch werden Mitarbeitende nicht nur stärker in nachhaltige Strategien einer Organisation miteinbezogen, sondern können durch ihre individuelle Expertise und ihr Fachwissen auch ein unbeabsichtigtes Auseinanderklaffen von Anspruch in Wirklichkeit frühzeitig erkennen und gegebenenfalls korrigieren. 


Autor*inneninformation

Simin Ziegler, M. Sc. ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Arbeitseinheit Organisations- und Wirtschaftspsychologie an der Universität Münster und Mitarbeiterin am Zentrum für interdisziplinäre Nachhaltigkeitsforschung (ZIN). Ihre Forschungsschwerpunkte sind Klima- und Umweltpsychologie, sowie insbesondere Greenwashing in Organisationen.

Prof. Dr. Guido Hertel leitet die Arbeitseinheit Organisations- und Wirtschaftspsychologie an der Universität Münster und ist Mitglied im Zentrum für interdisziplinäre Nachhaltigkeitsforschung (ZIN). Neben Fragen der Nachhaltigkeit von Organisationen beschäftigt er sich mit demografischen Veränderungen in Organisationen und Chancen der Digitalisierung von Arbeit.


Weitere Literatur zum Nachlesen:

de Freitas Netto, S. V., Sobral, M. F. F., Ribeiro, A. R. B. & Da Soares, G. R. L. (2020). Concepts and forms of greenwashing: a systematic review. Environmental Sciences Europe32(1). https://doi.org/10.1186/s12302-020-0300-3

Delmas, M. A. & Burbano, V. C. (2011). The Drivers of Greenwashing. California Management Review54(1), 64–87. https://doi.org/10.1525/cmr.2011.54.1.64

Martin, U. M., Thapa, U. & Aguinis, H. (2023). Punishing the good? How to minimize an unfair CSR-washing label. Business Horizons. Vorab-Onlinepublikation. https://doi.org/10.1016/j.bushor.2023.12.002

Nemes, N., Scanlan, S. J., Smith, P., Smith, T., Aronczyk, M., Hill, S., Lewis, S. L., Montgomery, A. W., Tubiello, F. N. & Stabinsky, D. (2022). An Integrated Framework to Assess Greenwashing. Sustainability14(8), 4431. https://doi.org/10.3390/su14084431


Literaturverzeichnis

Chen, Y.‑S., Huang, A.‑F., Wang, T.‑Y. & Chen, Y.‑R. (2020). Greenwash and green purchase behaviour: the mediation of green brand image and green brand loyalty. Total Quality Management & Business Excellence31(1-2), 194–209. https://doi.org/10.1080/14783363.2018.1426450

Li, W [Wei], Li, W [Weining], Seppänen, V. & Koivumäki, T. (2022). How and when does perceived greenwashing affect employees‘ job performance? Evidence from China. Corporate Social Responsibility and Environmental Management29(5), 1722–1735. https://doi.org/10.1002/csr.2321

Mo, S., Lupoli, M. J., Newman, A. & Umphress, E. E. (2023). Good intentions, bad behavior: A review and synthesis of the literature on unethical prosocial behavior (UPB) at work. Journal of Organizational Behavior44(2), 335–354. https://doi.org/10.1002/job.2617

Montgomery, A. W., Lyon, T. P. & Barg, J. (2023). No End in Sight? A Greenwash Review and Research Agenda. Organization & Environment, 108602662311689. https://doi.org/10.1177/10860266231168905

Rausch, T. M. & Kopplin, C. S. (2021). Bridge the gap: Consumers’ purchase intention and behavior regarding sustainable clothing. Journal of Cleaner Production278, 123882. https://doi.org/10.1016/j.jclepro.2020.123882

Robertson, J. L., Montgomery, A. W. & Ozbilir, T. (2023). Employees‘ response to corporate greenwashing. Business Strategy and the Environment32(7), 4015–4027. https://doi.org/10.1002/bse.3351