Von Kuhmilch zu Pflanzenmilch – pflanzenbasierte Milchalternativen werden zum Mainstream

Die Rapid Transition Alliance stellt in ihren Beiträgen Initiativen und mögliche Wege vor, einen gesellschaftlichen Wandel zu mehr Nachhaltigkeit anzustoßen. Der folgende Beitrag wurde am 08. September 2021 veröffentlicht, aus dem Englischen übersetzt und ist hier im Original zu finden. An einigen Stellen wurde der Originalartikel (durch gekennzeichnete Kürzungen, Zwischenüberschriften und Veränderungen im Layout) dem ZIN- Blogformat angepasst.

Die Erzeugung von Kuhmilch für den menschlichen Verzehr ist ein riesiger Wirtschaftszweig, gleichzeitig aber auch eine sehr ineffiziente und umweltschädliche Industrie. Die Herstellung von Kuhmilch verbraucht viel mehr Wasser als pflanzliche Alternativen und verursacht im Vergleich zu Hafer- und Sojamilch dreimal so viel Umweltverschmutzung.

Eine Studie ergab, dass die direkten Emissionen, die bei der Produktion von Hafermilch entstehen, im Vergleich zu Kuhmilch um 41% geringer sind, wobei die durch Transport und Kühlung verursachten Emissionen noch nicht einberechnet wurden (Röös et al. 2016). Die gute Nachricht ist, dass sich pflanzliche Milchalternativen in den letzten fünf Jahren von einer Randerscheinung zu einem etablierten Grundnahrungsmittel entwickelt haben. Fast die Hälfte aller Konsument*innen in den USA kaufen inzwischen Milchalternativen.

In den USA wurde der Markt für Milchalternativen auf über 20 Milliarden US-Dollar geschätzt und soll laut Grand View Research bis 2028 jährlich um etwa 12,5% wachsen (Grand View Research 2021). […] Während dieses Marktwachstum vor allem von etablierten Milchalternativen wie Mandel- und Sojamilch angeführt wurde, hat das rasante Wachstum der alternativen Märkte in Verbindung mit dem enormen Nachholbedarf der Verbraucher*innen, die gesündere und ethischere Entscheidungen treffen wollen, eine Fülle von Alternativen auf den Markt gebracht – von Hanf- und Erbsen- bis hin zu Walnuss- oder Haselnussmilch – der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Allen voran Hafermilch ist sehr erfolgreich und mit Blick auf Emissionen, Wasserverbrauch und Landnutzung zudem eine der nachhaltigsten Milchalternativen, die es derzeit auf dem Markt gibt. Der in den 1990er Jahren gegründete schwedische Hersteller Oatly konnte seinen Absatz im Jahr 2020 um 106% steigern und musste deshalb die Produktion erhöhen (Poinski 2021).

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Die Ausweitung der Produktion von Milchalternativen bringt jedoch auch neue Probleme mit sich, über die Verbraucher*innen aufgeklärt sein sollten. So führt die hohe Nachfrage nach Mandeln z.B. in Kalifornien dazu, dass große Mengen an Wasser verbraucht werden und somit die Wüstenbildung beschleunigt wird (Claeson 2020). In anderen Teilen der Welt werden Urwälder abgeholzt, um Milchalternativen anzubauen und mit der weltweiten Nachfrage Schritt zu halten. Um die Produktion von Lebensmitteln zu steigern, muss daher ein Gleichgewicht zwischen der Menge an benötigten Ressourcen und den Auswirkungen auf Artenvielfalt und Kohlenstoffsenken gefunden werden.

Geschichte des Konsums von pflanzlicher Milch

Auch wenn heute der Trend zu Milchalternativen stark zunimmt und von sich wandelnden Verbraucher*innenvorstellungen profitiert, handelt es sich hierbei nicht um ein neues Phänomen. Im Gegenteil, die Herstellung und der Verzehr von Mandelmilch lassen sich mindestens bis ins Jahr 1226 zurückverfolgen, wo sie in einem Kochbuch aus Bagdad erwähnt werden (Franklin-Wallis 2019). Um 1390 war Mandelmilch in ganz Europa weit verbreitet und wurde zu einem beliebten Grundnahrungsmittel in der Fastenzeit. Sojamilch wird erst später in der Geschichte erwähnt, nämlich um 1365 in dem chinesischen Kochbuch „Yiya Yiyi“. Der erste Eintrag zu pflanzlicher Milch in englischer Sprache lässt sich auf Fernandez Navarretes Bericht „A Collection of Voyages and Travel“ zurückführen, der 1704 erschien und in dem Navarretes von seinen Erfahrungen als Missionar in China berichtet (Shurtleff; Aoyagi 2013). Letztendlich ist vielleicht nicht der Verzehr von pflanzlicher Milch, sondern der von Kuhmilch die neuere Erscheinung, die zudem eindeutig ein europäisches Phänomen ist, da der Teil der Menschheit, für den Milchprodukte verdaulich sind, seine Vorfahren in Europa hat. Es gibt unterschiedliche Schätzungen, man geht aber davon aus, dass über 75% der Weltbevölkerung Milch und Milchprodukte nicht verdauen können (Silanikove et al. 2015).

Was bedeutet der Konsumwandel?

Die schnelle Ausweitung und die neuen Dimensionen, die die Märkte für Milchalternativen erreichen, werden durch die sich ändernden Wünsche von Verbraucher*innen bestimmt. [… ] Dies führt nicht nur dazu, dass die Produktion von Milchalternativen rasch ansteigt, um die Nachfrage zu befriedigen, sondern stellt auch die mächtige Stellung der Milchindustrie in vielen Ländern grundlegend in Frage. Im Vereinigten Königreich beispielsweise hat eine Kombination aus sinkenden Preisen und geringerer Nachfrage dazu geführt, dass zwischen 2013 und 2016 1000 Milchviehbetriebe geschlossen wurden, also etwa einer von zehn. Prognosen zufolge wird es bis 2025 weniger als 5000 Milchviehbetriebe im Vereinigten Königreich geben, gegenüber 13 000 im Jahr 2010 (Franklin-Wallis 2019). Diese strukturellen wirtschaftlichen Veränderungen müssen durch gezielte staatliche Maßnahmen abgefedert werden, um sicherzustellen, dass der Lebensunterhalt in anderen, nachhaltigeren und widerstandsfähigeren Teilen der Wirtschaft bestritten werden kann. Diese Umstellungen werden zu umfangreichen Emissionssenkungen und Landnutzungsänderungen führen. So entsprechen beispielsweise die Emissionen der 13 größten Molkereiunternehmen den jährlichen Emissionen des Vereinigten Königreichs, der sechstgrößten Volkswirtschaft der Welt (Carrington 2020). Weltweit entfallen 14,5% der kumulative Gesamtemissionen auf die Fleisch- und Milchindustrie, die zudem 77% der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche beansprucht. Trotz dieser enormen Flächen- und Kohlenstoffbelastung machen Fleisch und Milchprodukte nur 17% der weltweiten Kalorienversorgung und 33% der weltweiten Proteinversorgung aus. Geht die Entwicklung so weiter wie bisher, könnte der Übergang zu einer überwiegend milchfreien Landwirtschaft die Emissionen verringern und große Flächen für kohlenstoffärmere Nutzungen freimachen.

Neben Auswirkungen auf Emissionen und Landnutzung könnte dieser Wandel auch ein Umdenken bei den staatlichen Subventionen bewirken. In den USA erhielten Milchbäuerinnen und -bauern im Jahr 2020 Subventionen in Höhe von 3,5 Milliarden US-Dollar, während die Produzent*innen von Hafer nur 44 Millionen US-Dollar bekamen (Ho 2021). Im Vereinigten Königreich erhielten die Milchbäuerinnen und -bauern im Rahmen der bald auslaufenden Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) jährliche Subventionen von rund 56 Millionen Pfund, was etwa 40% ihrer jährlichen Gewinne ausmacht (Von Rheinbaben 2020). Da immer mehr Milchviehbetriebe infolge der sich änderten Nachfrage schließen, könnten die hierfür vorgesehenen Subventionen umgewidmet werden, z.B. um Landwirt*innen bei der Umstellung auf eine pflanzenbasierte Produktion zu helfen oder ihre Einkommensströme in grüne Industrien zu diversifizieren, um ihre Widerstandsfähigkeit zu verbessern.

Für Unternehmen, die Milchalternativen für die breite Masse anbieten, ergeben sich eine Reihe von Kostenvorteilen. Zum einen ist das der sinkende Preis von pflanzlichen Milchalternativen, da die gesteigerte Produktion und das Marktwachstum die Kosten immer weiter senken. Außerdem stellen Cafés und Restaurants fest, dass Milchalternativen länger haltbar und einfacher zu lagern sind. Die Kühlung von Produkten macht etwa 44% des Energieverbrauchs in Cafés und Restaurants aus, weswegen die Umstellung auf Milchalternativen zu erheblichen Kosten- und Energieeinsparungen sowie zu einer Verringerung der Emissionen führen kann. Aus diesem Grund entscheiden sich Cafés zunehmen dafür, Milchalternativen zum Standard und nicht mehr zur Ausnahme zu machen.

Erkenntnisse für eine schnelle sozial-ökologische Transformation:

  1. Das Verknüpfen verschiedener Anliegen kann dazu beitragen, die sozial-ökologische Transformation zu beschleunigen: Der Erfolg von Milchalternativen ist darauf zurückzuführen, dass diese Produkte eine Reihe von Anliegen rund um Tierschutz, die menschliche Gesundheit und die Klimakrise ansprechen. Durch die Verknüpfung all dieser Anliegen werden Milchalternativen von einer breitgefächerten Gruppe von Verbraucher*innen unterstützt, die dazu beitragen, neue Märkte zu schaffen und alte in Frage zu stellen.
  2. Für eine schnelle sozial-ökologische Transformation sind verschiedene Faktoren sowie die Beteiligung verschiedener Akteure erforderlich. In manchen Bereichen können Verbraucher*innenpräferenzen die Grundlage für einen umfassenden Wandel bilden. Staatliche Unterstützung kann diesen Wandel jedoch beschleunigen und dafür sorgen, dass etwa mit Subventionen die richtigen Anreize gesetzt werden.
  3. Der Wandel von Konsumpräferenzen von einer Generation zur nächsten kann als Sprungbrett für Veränderung genutzt werden: Der Erfolg von Milchalternativen zeigt, wie die Unterschiede zwischen den Generationen in Bezug auf Ernährung, soziale Belange und persönliche Vorlieben große, marktbestimmende Veränderungen auslösen können. Diese können die sozial-ökologische Transformation voranbringen, müssen teilweise jedoch auch kritisch hinterfragt werden.

Über die Autor*innen:

Die Rapid Transition Alliance ist ein Netzwerk internationaler Organisationen, die sich für die Bewälti-gung der Klimakrise einsetzen. Die Mitglieder des Netzwerks sind überzeugt, dass angesichts der Kli-makrise großer Handlungsbedarf besteht und schnelle sowie umfassende Maßnahmen getroffen wer-den müssen, um dieser Herausforderung zu begegnen. Aus diesem Grund will die Rapid Transition Alliance anhand von konkreten Beispielen zeigen, dass ein gesellschaftlicher Wandel möglich ist. Das Bündnis wird von Vertreter*innen des New Weather Institute, der School of Global Studies der Univer-sität Sussex und des Institute of Development Studies koordiniert und wird durch die KR Foundation.

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