Solaranlagen: Zwischen grünem Gewissen und Geschäftsmodell

Anne Remke

Gerade in der aktuellen politischen Situation sind erneuerbare Energiequellen ein wichtiges Instrument, um Deutschland unabhängiger von importiertem Gas und Öl zu machen und die globale Erderwärmung aufzuhalten. Aber was muss ich eigentlich beachten, wenn ich z.B. eine Solaranlage installieren lasse, und: wie nachhaltig ist das ganze eigentlich?

Die Gründe, eine Solaranlage zu installieren, sind vielfältig: Für die einen steht das „grüne Gewissen“ im Vordergrund, also das gute Gefühl, etwas zur Energiewende und damit auch zur Erreichung des 1,5 Grad-Ziels beizutragen. Für andere wiederum geht es darum, sich unabhängig vom steigenden Strompreis zu machen und gegebenenfalls auch bei einem großflächigen Stromausfall autonom mit Strom versorgt zu sein. Für wieder andere handelt es sich um eine lohnende Investition, die auch steuerlich einige Vorteile mit sich bringen kann.

Immer mehr Dächer in Deutschland werden mit einer Solaranlage ausgestattet, auch wenn die aktuelle Einspeisevergütung bei knapp 7 Cent liegt und damit deutlich unter den aktuellen Strompreisen (Tageschau 2022). Die Investition für eine solche Anlage ist allerdings beachtlich und wird aktuell nur geringfügig über einen KFW-Kredit gefördert. In entsprechenden Fachartikeln und Internetforen lässt sich nachlesen, wie das Dach möglichst gewinnbringend belegt werden kann und welche Unterschiede es zwischen Photovoltaik-Anlagen mit unterschiedlicher Kapazität jeweils im Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) gibt. Natürlich gibt es auch steuerlich enorme Unterschiede, die hier beachtet werden müssen und den*die Normalbürger*in vor enorme Herausforderungen stellen können (Stiftung Warentest 2021).

Konsens ist aktuell, dass eine Solaranlage trotz geringer Einspeisevergütung rentabel sein kann, wenn der Eigenverbrauch hoch genug ist. Nur, wie schätze ich meinen Eigenverbrauch vor einer solchen Investition solide ab? Und wie kann ich die tatsächliche Produktion meiner Anlage, die vielleicht nicht optimal nach Süden ausgerichtet ist, prognostizieren? Hier können Simulatoren helfen, die den erwarteten Ertrag für eine genaue Dachausrichtung und Postleitzahl (Photovoltaik.org o.J.), und den erwarteten Eigenverbrauch für eine spezifische Lebenssituation unter Einbeziehung der Größe der geplanten Anlage, der geplanten Anschaffung einer Batterie, bzw. eines Elektroautos (Verbraucherzentralle NRW o.J.) vorhersagen. 

Über den erwarteten Eigenverbrauch mit und ohne Batterie lässt sich dann auch die Rentabilität einer Batterie mit einer bestimmten Größe berechnen. Bleibt die Frage, ob die Batterie vor oder nach dem Wechselrichter installiert werden soll und welche steuerlichen Vorteile der jeweilige Aufbau hat.

Wer sich nach der Klärung dieser ganzen Fragen für die Anschaffung einer Solaranlage entscheidet, konnte bis vor kurzem die Ladestation für ein Elektroauto über die KFW mit max. 900 Euro fördern lassen. Und selbst wenn kein Elektroauto vorhanden war, konnte man doch direkt Förderung erhalten und mit einer Ladestation potenziell den Wert der eigenen Immobilie steigern.

Aber wie nachhaltig ist dieses System eigentlich?

Denkt man einmal genauer über die Folgen der Energiewende und solcher Installationen nach, wird schnell klar, dass es mit KFW Förderung und steuerlichen Erleichterungen nicht getan ist. Die Infrastruktur der Stromnetze muss den neuen Herausforderungen ja auch gewachsen sein und die unregelmäßige Einspeisung von vielen dezentralen Hausdach-Anlagen weiterleiten, ohne zu Spannungs- und Frequenzschwankungen zu führen.

Stromnetze wurden vor über 100 Jahren hierarchisch, d.h. in verschiedenen Ebenen, konzipiert, um – wie Einbahnstraßen – die erzeugte Energie vom Kraftwerk über Übertragungsnetze und Verteilnetze zum Verbraucher zu transportieren. Heute fließt der Strom aber durch die Einspeisung von erneuerbaren Energien auch wieder ins Netz zurück und führt so zu einer schwankenden Auslastung der Verteilnetze. Die Herausforderung liegt darin, dass die Einspeisung erneuerbaren Energien ins Netz nicht wie bei Kraftwerken gesteuert werden kann. Daher kommt es punktuell immer wieder zu sehr großen Unterschieden in der Höhe der Einspeisung von erneuerbaren Energien, welche die Verteilnetze lokal überlasten können.

Um vorhandene Ressourcen möglichst effizient und flexibel zu nutzen, kommt hier die Digitalisierung ins Spiel. Energieflüsse im Stromnetz sollen mit Hilfe moderner IT-Systeme so gesteuert werden, dass Verbrauch und Angebot im Gleichgewicht gehalten werden.

Stromverbrauch und Produktion von erneuerbaren Energien können mit Verfahren des maschinellen Lernens schon recht exakt vorausgesagt werden. Sensordaten zur Stromstärke, Spannung und Frequenz können dann in Echtzeit mit diesen Vorhersagen abgeglichen werden und liefern somit die Grundlage, um die Stromnetze über eine komplexe Steuerung in Balance zu halten. Übertragungsnetzbetreiber nutzen bereits sogenannte Energiemanagementsysteme (EMS), um profitorientiert Angebot und Nachfrage zu balancieren und eine stabile Stromversorgung zu sichern.

Ein dezentrales Konzept für mehr Nachhaltigkeit

Im Gegensatz zu Übertragungsnetzbetreibern sind Verteilnetzbetreiber, wie die Stadtwerke, weiter unten in der Hierarchie der Spannungsebenen angeordnet. Obwohl sie hunderttausende von Netzanschlüssen realisieren, verfügen sie häufig nicht über die entsprechenden Sensoren, um genügend Daten zu sammeln und ein EMS mit genügend Daten zu füttern. Der Einbau von SmartMetern (digitalen Stromzählern) kommt in Deutschland nach einer langen Diskussion über Datensicherheit und dem Schutz der Privatsphäre nur langsam voran und damit fehlt den Verteilnetzbetreibern die Datengrundlage, um intelligent zu steuern. Ansonsten könnten schon am lokal in Nachbarschaften und einzelnen Haushalten Angebot und Nachfrage besser aufeinander abstimmen werden.

Dabei zeigt sich der Nutzen einer dezentralen Netzstruktur schon seit vielen Jahren im Internet. Hier ist die Intelligenz des Netzwerks traditionell an den Endpunkten einer Verbindung angesiedelt, also bei den Endgeräten der Nutzer*innen und bei den Servern, welche verschiedene Dienste zur Verfügung stellen. Die inneren Knoten, wie z.B. die Router, übernehmen hingegen nur einfache Weiterleitungsaufgaben.

Dieses Konzept muss auch auf die Energiewirtschaft übertragen werden: Einzelne Haushalte sollten mit SmartMetern (BMWK 2022) ausgestattet werden, um Verteilnetzbetreibern die Möglichkeit zu geben, Stromflüsse intelligent, effizient und damit ressourcenschonend zu steuern.

Weiterhin würden Verteilnetze und damit auch die höheren Übertragungsebenen davon profitieren, wenn einzelne Haushalte und Nachbarschaften die Möglichkeit bekämen, ihren Stromverbrauch intelligenter zu managen.

Dezentrale Speicher, wie die Akkus von Elektroautos und Hausbatterien, bieten schon jetzt die Möglichkeit, lokal erzeugten Strom zu speichern. Damit können der Eigenverbrauch erhöht und somit die Rentabilität von Solaranlagen verbessert werden. Diese dezentralen Speicher verfügen über ein enormes Potential, die Stabilität des Verteilnetzes zu erhöhen, können aber bei schlechtem Management auch zu Stromausfällen führen.

Recht eindrucksvoll wurde dies in einer Fallstudie im niederländischem Ort Lochem deutlich, wo die Universität Twente mit dem gleichzeitigen Laden von 13 Elektroautos und dem Backen von einigen Tiefkühlpizzen einen lokalen Netzausfall herbeiführen konnte (Hoogsteen et al. 2017).

Zwischen Zukunftsmusik und Realität

Obwohl seit vielen Jahren schon aktiv am lokalen Einspeisemanagement und netzdienlichen Ladestrategien für Batterien geforscht wird, sieht die Realität aktuell leider noch anders aus.

Dabei ist eine intelligente Steuerung von Batterien nötig, um ihre Lebensdauer zu erhöhen und damit die verwendeten Rohstoffe nachhaltiger zu nutzen. Außerdem können Algorithmen zur netzdienlichen Steuerung auch helfen, Einspeisespitzen zu vermeiden. Wenn alle neueren Hausdachanlagen erst die lokalen Speicher (Batterie und Elektroauto) füllen, bevor sie ins Netz einspeisen, kommt es gerade in der Mittagszeit mit einer besonders hohen Produktion zu enormen Spitzen in der Einspeisung, welche ggf. dann vom Stromanbieter abgeregelt werden müssen.

Natürlich ist die Energiewende notwendig und ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Allerdings sollten wir die Möglichkeiten, welche die Digitalisierung hier bietet, auch ausschöpfen und Energienetze für die Zukunft planen, die neben der Klimaeffizienz und der Rentabilität auch Nachhaltigkeit mitberücksichtigen.

Über die Autorin:

Prof’in Dr. Anne Remke leitet seit Oktober 2014 die Arbeitsgruppe für Sicherheitskritische Systeme im Institut für Informatik an der Universität Münster. Zusätzlich ist sie als „affiliated“ („angeschlossene“) Professorin der Arbeitsgruppe Mathematics of Operations Research an der Universität Twente in den Niederlanden verbunden. Sie hat im Jahr 2004 ihr Studium der Informatik an der RWTH Aachen noch mit einem Diplom abgeschlossen und im Jahr 2008 an der Universität Twente promoviert. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt auf der Zuverlässigkeit und Sicherheit von kritischen Infrastrukturen, wie z.B. Wasser-, Gas- und Elektrizitätsnetzen.

Quellen:

Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) (2022): Smart Meter: Intelligente Messsysteme für die Energiewende. Abrufbar unter: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Textsammlungen/Energie/smart-meter.html.

Hoogsteen, G., Molderink, A., Hurink, J.L., Smit, G.J.M., Kootstra, B. & F. Schuring. (2017): Charging electric vehicles, baking pizzas, and melting a fuse in Lochem. In: IET Digital Library, 2017 (1), S. 1629 – 1633. DOI: 10.1049/oap-cired.2017.0340.

Photovoltaik.org (o.J.): Photovoltaik Geographical Information System. Abrufbar unter: www.photovoltaik.org/wissen/pvgis.

Stiftung Warentest (2021): Mit Solarstrom Steuern sparen. In: Finanztest 7/2021.

Tageschau (2022): Solarstrom-Vergütung unter Marktwert. Abrufbar unter: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/verbraucher/solaranlagen-foerderung-strom-101.html.

Verbraucherzentralle NRW (o.J.): Solarrechner. Abrufbar unter:

https://www.verbraucherzentrale.nrw/solarrechner.

Zum Weiterlesen:

Wer sich tiefer mit der Materie beschäftigen möchte, findet beim Frauenhofer-Institut einen aktuellen, ausführlichen Bericht, der Fakten, Zahlen und Erkenntnisse zum Photovoltaik-Ausbau in Deutschland zusammenfasst.

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